Café der Nacht (German Edition)
viel größeres Publikum erreichen“, bemerkte Toblerone bedächtig. „Es geht doch gar nicht ums Geld, oder darum, berühmt zu werden.“ Er hielt einen Moment inne. „Na ja, vielleicht schon ein bisschen, aber ...“
„Was Toblerone sagen will“, sprang Caspar hastig ein, „ist, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem wir alles erreicht haben, was im Kaleidoskop geht.“
Völlig unerwartet seufzte Monroe tief und rieb sich das Gesicht. Zum ersten Mal wirkte der notorische Rebell müde, als sei er all das langsam leid. Die ewigen Diskussionen, die Machtkämpfe. Zuzusehen, wie die Truppe in ihren Vorstellungen und Idealen immer weiter auseinanderdriftete. Alle sahen sie unbehaglich weg. Als er wieder sprach, tat er es leise, aber eindringlich. „Als wir angefangen haben, gab es nur eine Regel: Niemandem in den Arsch kriechen. Das ist es, was wir sind. Das wollt ihr als appetitliche Häppchen zwischen den Werbeblocks servieren? Was die uns da anbieten, ist wertlos. Das ist ein goldener Maulkorb.“
„Und wenn schon!“, schnaubte Kristians. „Manchmal muss man eben Abstriche machen! Wir rackern uns in diesem muffigen Kellerloch ab für ’nen Appel und ’n Ei! Wofür haben wir so hart gearbeitet, wenn nicht für das hier?“ Er griff sich den Brief und fuchtelte wild damit herum. „Herrgott, Monroe! Warum ist bei dir alles immer gleich Verrat an allem, woran wir glauben?“
Monroe sah ihn an mit einem Blick, als hätte er ihn gerade gefragt, ob Hämorrhoiden eine angenehme Sache wären. „Weil es in der Kunst nur zwei Möglichkeiten gibt, du Depp. Du kannst dir entweder treu bleiben, oder dich verkaufen. Du kannst verdammt noch mal nicht beides zugleich!“
Kristians starrte ihn zornig an, doch seine Schultern sanken, als er merkte, dass die anderen ins Grübeln gekommen waren. Das Kaleidoskop war ein seltenes, vom Aussterben bedrohtes Exemplar von Kabarett. Dort wollten keine Geldgeber ihre Interessen gewahrt wissen. Die Tatsache, dass sich immer irgendwer beschwerte, zur Presse lief und plärrte, hatte Hummelig noch nie einen Kabarettisten aus dem Programm nehmen lassen. So harmlos, wie er wirkte, war der füllige Kunstpatron lange nicht. Die Schizis waren nicht grundlos seine erklärten Lieblinge. Bisher hatten sie es immer geschafft, ihre Inhalte in den Vordergrund zu stellen, Ehrgeiz und Egos hintenan. Doch nun schien all das plötzlich ins Wanken zu geraten. Monroe allerdings hatte schon jetzt eine knifflige Gratwanderung zu vollziehen. Denn wer die Leute in seinen Bann zog, der musste sich drohender Glorifizierung erwehren. Er hatte sofort Lunte gerochen, und Maxim begann zu ahnen, worum es hier wirklich ging.
„Scheiße!“ Hitzig warf Kristians das unselige Schreiben hin, als ihm die Verfahrenheit der Situation dämmerte. Er sprang auf und trat so heftig gegen das Tischbein, dass das schwere Möbelstück einen Hüpfer nach rechts machte. Eine Kaffeetasse kippte um und ihr Inhalt ergoss sich elegant über den Brief. Die Adern an Kristians’ Schläfen traten in seinem hochroten Gesicht hervor. „Ich wusste es! Ich wusste, dass du das tun würdest! Du Idiot machst uns alles kaputt! So eine Chance kriegen wir nie wieder!“
Mittlerweile waren alle auf den Beinen, bemüht, zu beschwichtigen, und vor allem Monroe und Kristians nicht in des anderen Reichweite kommen zu lassen. Auch Monroes gefürchtetes Temperament brach nun hervor. „Werd ein Fernsehstar, wer hält dich auf? Nur mach es verdammt noch mal ohne mich!“
In Kristians Augen stand blanker Hass, als der wahre Grund der Auseinandersetzung endlich aus ihm hervorbrach. „Du weißt genau, dass der Deal nur steht, wenn du mitmachst! Die wollen dich , nicht uns! Alles dreht sich immer nur um dich, du blödes Arschloch!“ So etwas wie ein unterdrücktes Schluchzen schien aus seiner Kehle zu dringen, ein seltsamer, surrealer Laut in der Leere des Gewölbes.
Eine kurze Stille folgte, dann brach Monroe herzlos in Lachen aus. Und damit war es um den letzten Funken Selbstbeherrschung in Kristians geschehen. Unaufhaltsam stürzte er sich auf Monroe, der gerade noch rechtzeitig einem kraftvollen Faustschlag auswich.
Hinter der Bar neben Maxim, den Kopf in die aufgestützte Hand gelehnt, beobachtete Rufus fast belustigt das dramatische Schauspiel, als sei es ein Preisboxkampf im Fernsehen.
„Willst du nicht eingreifen?“, fragte Maxim leise, bestürzt.
„Wozu? Das war schon lange am Kommen. Wenn nicht hier, dann würden sie sich
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