Café der Nacht (German Edition)
Narzissen leuchtete in jedem kleinen Rasenstück. Die Obstbäume in den Hinterhöfen öffneten nach und nach Abertausende Blütenknospen, und ein leichter, wunderbarer Nektarduft lag überall in der Luft. Nicht nur die schwirrenden Bienen zeigten sich davon betört. Fort waren die dicken Schals und die schweren Mäntel. Die grimmigen Wintermienen auf den Straßen waren lebenslustigem Lächeln gewichen. Fast über Nacht schien die Gästeschar des Cafés ausschließlich aus Pärchen zu bestehen, die kaum die Hände voneinander lassen konnten.
„Ätzend. Da krieg ich Brechreiz von“, war Donnas angewiderter Kommentar zur allgemeinen beseelten Verliebtheit. Nun, Brechreiz bekam Maxim zwar nicht, doch in dieser lebenstrunkenen Zeit war ihm Donnas düstere Gesellschaft gelegentlich ganz angenehm. War ihm doch überdeutlich bewusst, dass er selbst nach wie vor alleine war. Sogar Merlyn hatte sein Herz erneut verschenkt und schwebte fortwährend summend in höheren Sphären.
Maxim war es nicht gewohnt, sich anderen anzuvertrauen, doch es gab Momente, da hätte er es gerne getan. Rufus hätte ihm zwar zweifellos zugehört, ihm jedoch kaum mehr Beistand bieten können als einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken und ein paar aufmunternde Worte. Maxim dachte oft an Vida, die sich bislang nicht mehr hatte blicken lassen.
Monroe behandelte ihn nicht merkenswert anders als zuvor. Maxim wusste nicht, was er davon halten sollte. Manchmal beobachtete er jede Regung in seinem hübschen Gesicht aus der Distanz und fragte sich, was wohl in ihm vorging. Doch Monroe war und blieb ihm ein Rätsel. Er hatte sich so gut mit Vida verstanden und das Gefühl gehabt, dies beruhe auf Gegenseitigkeit. Fast hatte er gehofft, eine richtige Freundschaft wäre ihm erstmals zum Greifen nahe. Vermutlich hatte er sich getäuscht.
„Sag kein Wort mehr! Alles klar. Du hast den berüchtigten Post-Vida-Koller!“, meinte Merlyn, als sie, tagsüber an der Theke stehend, darüber sprachen.
Trotz seiner gedrückten Stimmung musste Maxim lachen. „Den was?“
„Oh Donna, ich liebe dich“, hauchte Merlyn glücklich, als sie ihm einen Becher mit brühendheißem Darjeeling zuschob.
„Schon gut“, knurrte sie. „Jetzt schiebt ab, ihr Memmen, ich brauche hier Platz!“
Sie tauschten einen amüsierten Blick und trollten sich an einen kleinen Tisch außerhalb ihrer Reichweite.
Merlyn schlürfte genüsslich von seine m heißen Tee. Der blumige Duft war erfrischend in der stets verrauchten Caféluft. Er betrachtete Maxim mitfühlend. „Ging mir auch so, vor Jahren. Nur, dass ich zuerst Vida, dann Monroe kennenlernte.“
„Oh je.“
„Du sagst es. Das war ein schöner Schock.“ Er lachte leise. „Aber ein guter!“
„Ich weiß nicht, ob ich das bestätigen kann“, bemerkte Maxim zweifelnd.
„Die Sache ist so. Jeder, der Vida begegnet, denkt, er kennt jetzt den wahren Monroe, und deshalb würde sich nun alles ändern. Aber das tut es nicht. Und dann also bekommt man den berüchtigten ...“
„... Post-Vida-Koller“, vervollständigte Maxim mit schiefem Lächeln.
Merlyn grinste vergnügt. „Ganz genau, mein Schatz.“
Stirnrunzelnd spielte Maxim mit Merlyns leerem Zuckertütchen und fühlte, wie der andere ihn lange betrachtete.
„Du magst sie wirklich.“
Rasch sah Maxim auf und versuchte, abzuwiegeln. „Na ja, schon. Sie war ziemlich nett zu mir.“
„Ja, das ist sie.“ Merlyn lächelte versonnen.
„Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll“, gestand Maxim verhalten. „Ich frage mich die ganze Zeit: Wie viel davon war gespielt, und was war echt?“
„Du solltest mit ihm sprechen.“
„Mit Monroe? Hilfe, nein.“
Merlyn lachte. „Du solltest nicht so viel Respekt vor ihm haben. Das mag er gar nicht.“
„Aber den habe ich nun mal.“
„Spring über deinen Schatten. Das lohnt sich. Du wirst sehen.“
Bald darauf bot sich Gelegenheit dazu. Als Maxim bei grell strahlendem Sonnenschein vor die Haustür trat, fand er Monroe an die Wand gelehnt vor, genüsslich eine Zigarette rauchend. Seine Haut hatte von den immer wärmer werdenden Sonnentagen bereits etwas Farbe bekommen, was ihm ausgezeichnet stand und die hellen grünen Augen noch mehr leuchten ließ. Maxim wurde wieder einmal klar, wie wenig er über Monroe und die Art und Weise wusste, wie er seine Zeit verbrachte, wenn er mal wieder für ein paar Tage verschwand. Er beschloss, das Wagnis einzugehen und Merlyns Rat zu folgen. Es ließ ihm
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