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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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wahren gemeinsam geschworen hatten. Dela indes konnte nicht vergessen, so innig sie sich auch danach sehnen mochte. Mit sechzehn war sie blind Darius’ Rat gefolgt. Doch irgendwo dort draußen in der Welt lebte ihr mittlerweile sechsundzwanzigjähriger Sohn, dessen Namen sie nicht kannte, über dessen Adoptiveltern sie nichts wusste. Doch Darius hatte es getan. Und all die Jahre hatte er ihr sein Wissen beharrlich verweigert. Nun war er tot, und alle Hoffnung dahin.
    „Dela?“
    Sie zuckte heftig zusammen, aus den Gedanken gerissen. Rufus stieß die angelehnte Tür mit dem Ellbogen auf, und trat ächzend in den Raum. Er schleppte eine große, flache Holzkiste herein und lehnte sie gegen das Sofa. „Das ist mit der Post für dich gekommen.“
    Überrascht runzelte sie die Stirn. „Seltsam. Ich kann mich nicht erinnern, etwas bestellt zu haben.“ Sie kam herüber und betrachtete die ungewöhnliche Sendung aus der Nähe. „Hilfst du mir, es aufzumachen?“
    „Natürlich.“
    Während Rufus sich nach geeignetem Werkzeug umsah, um die Kiste aufzuhebeln, ging Dela in die Hocke, um den Absender zu entziffern. „Mein Gott. Es ist von Clarissa“, entfuhr es ihr tonlos.
    „Clarissa?“
    Sie strich mit den Fingerspitzen behutsam über das raue Holz. „Darius’ Frau.“
    „Von Meander? Die, von der er zwei Mal geschieden war?“
    Dela lächelte weich und nickte. „Und jedes Mal hat sie ihn wieder geheiratet.“ Voller Wärme dachte sie an die Frau, die ihr stets mit so viel Liebe begegnet war. Sie konnte sich bis heute nicht verzeihen, dass sie sie als Teenager so herzlos hintergangen hatte. Ein Teil von ihr hatte immer gestehen wollen, doch sie hatte das Gefühl, dass Clarissa ohnehin die Wahrheit ahnte. Sie war ein zu feiner Kerl, um es je anzusprechen, doch das machte die Sache nicht leichter.
    Rufus hatte in Delas buntem Sammelsurium irgendwo einen kräftigen Schraubenzieher aufgetrieben und machte sich ans Werk. Dela erhob sich und verschränkte unruhig die Hände ineinander, die Daumen gegeneinander reibend. Rufus öffnete den Deckel und schob einen Berg von Holzwolle beiseite, die auf den Fußboden quoll. Nochmals von einem dicken Papier umschlagen, kam ein Gemälde zum Vorschein.
    „Da soll mich doch ...“, entfuhr es Rufus, als er sich aufrichtete.
    Dela stand sprachlos neben ihm, dann bückte sie sich, um den kleinen Briefumschlag aufzuheben, der herausgerutscht war. Clarissas freundliche Zeilen berührten sie fast ebenso tief wie das unverhoffte Wiedersehen mit dem Gemälde. Sie schrieb, dass Darius ihr das Bild vermacht hätte, das er nie verkauft und stets zu seinen besten gezählt hatte. Es war ein verspielter Akt von federleichtem Strich, der ein junges Mädchen zeigte. In einer wilden Sommerwiese lag es behaglich wie ein kleines Kätzchen zusammengerollt und lächelte den Betrachter an.
    „Bist du das, Dela?“
    Sie nickte, versonnen lächelnd. „Ja, das bin ich.“
    „Das ist unglaublich schön.“
    Sie sah kurz zu Rufus auf. Für einen Moment strahlten ihre Augen voller Freude und Dankbarkeit. „Darius“, meinte sie leise für sich, ganz zärtlich. Sie streckte die Hand aus, als wollte sie das Gemälde berühren, tat es jedoch nicht. Stattdessen zog sie sie zurück und legte sie gedankenverloren aufs Herz. „Lass es uns gleich aufhängen, ja?“
    Er nickte, sich umgehend die Wände ansehend, die fast gänzlich hinter den vielen Bildern verschwanden, die ihr immer wieder von dankbaren Künstlern geschenkt wurden. „Welches willst du dafür abhängen?“
    Dela überlegte nicht lange. Sie fand eine gute Stelle, an der das Porträt gebührend zur Geltung kommen würde, und Rufus schritt sogleich zur Tat. Doch als er das schwere Bild anhob, zögerte er plötzlich, und setzte es wieder ab. „Sieh mal. Hier steckt irgendetwas drin.“
    Erstaunt trat Dela zu ihm. Tatsächlich hatten seine scharfen Augen eine Unebenheit und einen kleinen Riss in der Rahmung erspäht, kaum wahrnehmbar. Behutsam, mit äußerster Vorsicht versuchte Dela, die winzige, herauslugende Papierspitze zu greifen. Es gelang nicht gleich, und ihr Herz schlug heftig. Es könnte irgendetwas sein, vielleicht nur eine unbedeutende Notiz, gar ein leerer Zettel. Aber irgendetwas sagte ihr, dass Rufus’ Fund von Bedeutung war. Etwas, das Darius absichtlich dort versteckt hatte. Für sie, in dem Wissen, dass sie es nach seinem Tod erhalten würde.
    Endlich bekam sie die Spitze zu fassen und zog das glatte Papier mit bebenden Händen

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