Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Café Eden - Roman mit Rezepten

Titel: Café Eden - Roman mit Rezepten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Kalpakian
Vom Netzwerk:
nicht anmerken, wie sehr es sie verletzte, dass ihre Tochter für die Familie, für Washington, nur Verachtung übrig hatte. Dabei bekümmerte sie weniger Lizas Snobismus als vielmehr die Verbissenheit, mit der sie sich daranmachte, es den Toten zu beweisen. Die Unbekümmertheit der Jugend fehlte ihr völlig.
    Und Stellina? Stellina nannte sich jetzt Saffron und war auf dem Esoteriktrip. Nach der Highschool ging sie auf ein alternatives College, und im vergangenen Jahr, mit zwanzig, hatte sie mit gleichgesinnten Frauen eine ultrafeministische Kommune namens Grüne Göttin in den Bergen von Santa Cruz gegründet. Wenn sie zu Hause anrief, korrigierte sie ihre Mutter ständig: Es heißt nicht o Gott, sondern o Göttin. Wenigstens kam das nicht allzu häufig vor, denn Stellina rief nur an, wenn Saffron Geld brauchte.
    Nick mit seinen sechzehn Jahren war die letzte Hoffnung seiner Mutter. Würde wenigstens er sie ewig lieben? Wer würde sie überhaupt lieben? Nick litt zumindest nicht so wie die Mädchen unter dem Verlust des Vaters. Er war sportlich, charmant, faul, oberflächlich und selbstbewusst. Eden verglich ihn in Gedanken immer mit einer blauen Libelle, die sich im Wasser spiegelte. Er war Matt ohne die manische Komponente, und Eden liebte ihren Sohn über alles. Er brauchte ihr nur den Arm um die Schultern zu legen - mit sechzehn war er schon ein Meter achtzig -, und sie schmolz dahin.
    Die Türglocke bimmelte, und Liza wischte sich die Orangenstücke von den Händen, ergriff ihr Clipboard und ging hinaus ins Lokal. Mit aufgesetztem Lächeln in ihrem hübschen Gesicht begrüßte sie eine vierköpfige Familie. Sie reichte ihnen die Speisekarte, zeigte auf die Tafel und erklärte, sie könnten sich hinsetzen, wo sie wollten. Alle Tische seien frei.
    Liza stellte vier Gläser Wasser auf den Tisch. Rasch taxierte sie die Gäste, um die Höhe des späteren Trinkgelds einschätzen zu können: geschiedener Vater, der versuchte, seine drei Kinder für die Scheidung zu entschädigen. Touristen von weither. Die Mädchen trugen Markenklamotten, das Hemd des Vaters war gebügelt, der Sohn lungerte gelangweilt herum.
    Â»Der Kellner kommt gleich herunter«, sagte sie.
    Â»Herunter?«, entgegnete der Sohn und blickte zu den Ventilatoren an der Decke.
    Â»Nur eine Redewendung.«
    Â 
    Nick rauchte tatsächlich rasch einen Joint. Er war aus dem Fenster seines Zimmers geklettert und saß jetzt auf dem Dach, seinem Lieblingsplatz, wenn er ein bisschen Gras rauchen wollte. Sorgfältig achtete er darauf, dass der Rauch nicht durch die Lüftungsschächte in die Küche drang. Wenn seine Mutter das Gras riechen würde, wäre er am Arsch. Er musste grinsen. Wenn er Gras rauchte, amüsierte ihn so gut wie alles. Bekifft marschierte er schließlich in die Küche.
    Eden, die gerade einen Deckel von einem Topf hob, bemerkte den albernen Gesichtsausdruck ihres Sohnes und schüttelte den Kopf. Er hatte also schon wieder Gras geraucht. Ob er wohl jemals erwachsen werden würde? »Es gibt Arbeit, Nick. Mach weiter.«
    Nick band sich die Schürze mit dem Logo des Café Eden um und ging ins Lokal.
    Â»Möchten Sie bestellen?« Die Schwingungen an diesem Tisch waren nicht besonders gut, fand Nick. »Ich bin Nick. Wenn Sie Hilfe brauchen«, grinsend blickte er das ältere der beiden Mädchen an, das ungefähr in Lizas Alter sein musste, »brauchen Sie mich nur zu rufen.«
    Nick hatte die feuchten dunklen Augen, den sinnlichen Mund, die welligen Haare, die perfekten Augenbrauen und die aristokratische Nase, die Ernest March zum Herzensbrecher gemacht hatten. Seine Haare waren jedoch braun, und er hatte ein paar blonde Strähnen hineingefärbt. Sein Charme war wärmer und impulsiver als die glühende Leidenschaft, die Ernest March vermittelt hatte. Er liebte die Frauen, so jung wie er war, war gern in ihrer Gesellschaft und beobachtete, wie sie unter seinen Aufmerksamkeiten aufblühten. Von einem Jungen, der in einem Frauenhaushalt aufgewachsen war, war das vielleicht auch nicht anders zu erwarten. Er verliebte sich leicht und oft. Liza hielt ihn für einen romantischen Idioten, Stellina beschuldigte ihn, jede Frau zu vergewaltigen, die er berührte, und seine Mutter hoffte, dass er noch Jungfrau war.
    Das Mädchen, das er angelächelt hatte, Justine, bestellte Pasta Pierino. Nick grinste.

Weitere Kostenlose Bücher