Café Eden - Roman mit Rezepten
Lippen und flüsterte Eden zu: »Schscht. Schall trägt. Vor allem über Wasser.«
In der Ferne stand ein einzelner Baum auf einer Anhöhe an einem Ende des Sees. Ein Ast ragte dunkel gegen die goldenen Hügel zur Seite empor. An diesem Ast hing ein Strick, der um den Hals eines Mannes auf einem Pferderücken lag, während andere Reiter mit schnaubenden Pferden um ihn herumritten. Ihre Stimmen klangen bedrohlich, wenn man auch nicht jedes Wort verstehen konnte, aber es war doch klar ersichtlich, dass der Mann mit dem Strick um den Hals seine Unschuld beteuerte. Vergeblich. Jemand fragte ihn, ob er noch ein letztes Wort sprechen wolle, aber er solle sich beeilen. Verzweifelt suchte er mit den Blicken den Horizont nach Rettung ab, während er darauf wartete, dass jemand dem Pferd einen Schlag aufs Hinterteil versetzte und er am Ast baumelte.
»Schnitt!«
Die Cowboys wendeten die Pferde und ritten davon. Der Gehängte, der nie wirklich gehangen hatte, sprang vom Pferd und ging weg. Ein Junge trat zum Pferd, setzte ihm eine Puppe, die genauso gekleidet war wie der Schauspieler, auf den Rücken und klatschte dem Tier aufs Hinterteil. Der Dummy baumelte vom Ast herunter, während das Pferd davonjagte.
»Schnitt!«
Der Cowboy ritt dem Pferd hinterher, und alle anderen setzten sich in den Schatten und zündeten sich Zigaretten an.
»Wir können jetzt hinfahren«, sagte Matt zu Eden und lieà den Motor an.
Es war Samstag, eine Woche nach dem Unfall, und Edens Gesicht heilte zwar bereits, war aber immer noch verschrammt, und die blauen Flecken waren grün geworden. Eden hatte die Verletzungen zum Vorwand genommen, um nicht mit ihrer Mutter ins Kino zu gehen. Stattdessen nahm sie Matt Marchs Einladung zu einem Ausflug nach Greenwater an. Sie hatte Kitty gegenüber seinen Namen nicht erwähnt, geschweige denn, dass er der Neffe des groÃen Stummfilmstars war. Eden sah Ernest March immer noch vor sich - seine dunklen Augen, seinen finsteren Gesichtsausdruck, seine glatt zurückgekämmten Haare, seine ausdrucksvollen Augenbrauen, seinen gestutzten Schnurrbart, den sinnlichen Mund und die schmale, gerade Nase. Kitty hatte ihn wahrscheinlich noch viel lebhafter in Erinnerung.
Als Matt ihr beim Mittagessen bei Pierinoâs erzählt hatte, wer sein Onkel war, hatte Eden deutlich Züge des berühmten Gesichts erkannt. Aber sie fand Matt interessanter. Es hatte sie erstaunt, dass Ernest March noch lebte und im selben Haus wohnte wie der Mann, der ihr gegenübersaÃ. Genauso erstaunt war sie, als sie erfuhr, dass Matt March - der ihr so erfahren und so weltgewandt vorkam - zwei Jahre jünger war als sie.
Matt fuhr furchtlos, ja, verwegen mit dem Jeep, und Eden hielt sich an der Tür fest, als sie den Hügel hinunterholperten. Solche Wagen hatten sie im Krieg auch gehabt, man konnte mit ihnen überall fahren, und das Gelände der Greenwater Ranch war so uneben, dass ein anderes Fahrzeug nicht in Frage gekommen wäre.
Matt hielt neben den Pferden und den Schauspielern, lieà jedoch den Motor laufen und sprang hinaus. Signature Picture drehte, ein B-Movie. Wie alle anderen B-Western Produktionen auch hatten sie ihr Büro in Los Angeles auf der sogenannten Poverty Row. Die Dreharbeiten fanden immer auf Greenwater statt.
Matt trat zu dem Produzenten. »Lassen Sie mal sehen, ich habe hier die HauptstraÃe, Nahaufnahme vom Saloon und dem Büro des Sheriffs, und der Rest sind nur noch Innenaufnahmen, oder?«
»Die Jagdszene.«
»Die habe ich schon. Ich wollte mich nur wegen der Stadt vergewissern. Wollen Sie das Drehbuch überprüfen?«
Der Produzent schnaubte. »Sie glauben doch nicht, dass jemand diesen Scheià wirklich schreibt?«
Matt stieg wieder in den Jeep und löste die Bremse. »Was meinst du, Eden? Schreibt jemand diesen Schei�«
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Eden hielt sich an der Tür fest, als Matt um ein Schlagloch herumfuhr.
»Ich lebe schon mein ganzes Leben hier, mit meinem Vater, meiner Mutter und meinem Onkel. »Mein Vater ist vierundvierzig gestorben, deshalb sind wir jetzt nur noch zu dritt: Ernesto, Mama und ich. Meine Mutter und mein Onkel haben immer zusammengewohnt. Bevor wir achtundzwanzig hierhergezogen sind, hatten wir ein groÃes Haus auf der West Adams, in der Nähe der Innenstadt. Ich habe Fotos davon gesehen, aber das hier ist das einzige Zuhause, an das ich mich erinnern
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