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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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aber irgendwann wurden auch sie von ihrer Erschöpfung übermannt und nickten ein.
    David blieb wach. Und starrte, von Moskitos zerstochen, in das tiefe Dunkel der Wüste hinaus. Motten flatterten wie winzige verängstigte Geister gegen sein Gesicht. Aber sogar sie zogen sich zurück, als die Nacht kälter wurde.
    Doch dann, in der grauen Stunde vor Tagesanbruch, sah er, wie sich etwas bewegte. Ein Mensch. David schaute genauer hin.
    Es war Miguel, der sich verstohlen dem fast erloschenen Feuer näherte. Seine Männer schliefen. Miguel hatte die letzte Wache übernommen und schlich jetzt auf die schwach qualmenden Reste des Feuers zu.
    Um sich zu vergewissern, dass niemand ihn beobachtete, spähte der ETA-Terrorist immer wieder in alle Richtungen. David schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war ihm zunächst nicht klar, was genau sich vor ihm abspielte. Was tat Miguel?
    Jose Garovillos Sohn schlich zum Feuer und streckte eine Hand über die fast erloschene Glut. Er zog an Alphonses verkohltem Körper. Zupfte an seinem verbrannten Fleisch.
    Dann riss er an einem Bein. Der gegrillte Schenkel des jungen Namibiers löste sich mühelos aus der Gelenkpfanne. Wie ein zu lang gegartes Hähnchenbein. Miguel legte das Bein in den Sand. Dann zog er ein großes Messer aus seiner Tasche und klappte die Klinge aus. In dem silbern schimmernden Speichelfaden, der ihm inzwischen aus dem Mund lief, brach sich das Mondlicht. Und dann schnitt er ein großes Stück verkohltes Fleisch aus Alphonses Oberschenkel.
    Wieder sah Miguel nach allen Seiten, wie ein nächtlicher Wolf, der seine Beute bewacht. Dann stieß er die Klinge in den Fleischklumpen und hob ihn gierig an seinen Mund, an die speicheltriefenden Lefzen des Wolfs.
    Otsoko.
    David würgte.
    Das Geräusch ließ Miguel aufschauen. Er sah David. Sah, dass es einen Zeugen seiner kannibalischen Gelüste gab. Es schien, als huschten tiefe Schuldgefühle über seine Züge, begleitet von unaussprechlicher Scham. Er versuchte, so zu tun, als hätte er nie beabsichtigt, das Messer an seinen Mund zu führen, und ließ es beiläufig in den Sand fallen. Dann stand er abrupt auf und stieß das verkohlte Stück Fleisch mit einem verächtlichen Tritt in die verglimmende Glut des Feuers. Sich mit dem Ärmel übers Gesicht wischend, bedachte er David mit einem höhnischen Blick. Wortlos. Aber der Hohn wirkte aufgesetzt; er konnte die Scham nicht übertünchen. Schreckliche Scham.
    Seine Decke hinter sich herziehend, entfernte sich Miguel vom Feuer und legte sich wieder schlafen.
    David starrte ins Leere. Wie gelähmt von dem Grauen, das er gerade beobachtet hatte. Am Horizont erweckte die Morgendämmerung die willfährige Erde zum Leben, färbte den Wüstenhimmel in kühles grünliches Blau - mit einem Hauch von Apricot. Die ersten schwachen Schatten begannen über den Boden der Schlucht zu kriechen. Die schlanken Bäume neigten sich unter dem auffrischenden Wind. David war immer noch der Einzige, der wach war.
    Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er eine große grazile Raubkatze mit gelblich braunem Fell, gepinselten Ohren und langem, keckem Schwanz, die ein paar hundert Meter weiter durch die Kameldornbäume des ausgetrockneten Flussbetts pirschte. Ein Karakal.
    Weiter die flache Schlucht hinunter wurden imposante schwarze Schemen erkennbar. Wüstenelefanten, die auf der Suche nach Wasser durch das Dorsland zogen.
    Ihm traten Tränen in die Augen. In Kürze müsste er sterben.
    Und die Welt war so schön. So grausam schön. Wild und tödlich und schön. Nie war er sich seiner Umgebung so lebhaft bewusst gewesen: ein Käfer, pechschwarz auf dem goldgelben Sand, das Zwitschern der Wüstenvögel, das aus den zarten grünen Akazien kam. Und er würde sterben.
    Miguels Stimme dröhnte durch das Lager.
    »Los, los. Ein bisschen Beeilung, ihr faulen Säcke. Man friert sich ja hier den Arsch ab. Zeit, den Kerl zu verbrennen. Egun on denoi! Los, los, aufstehen.«
    Plötzlich wimmelte es zwischen den Zelten von Menschen. Bibbernde Männer warteten auf Anweisungen.
    »Wir brauchen Holz, Miguel.«
    »Darum sollen sie sich kümmern.« Miguel deutete auf Amy und Nairn. »Sollen sie das Holz sammeln, mit dem wir gleich ihren Freund grillen werden.«
    »Also dann.« Alan richtete lässig seine Pistole auf sie. »Ihr habt ja gehört, was er gesagt hat. Ihr geht jetzt mal schön brav Holz sammeln. Aber keine Dummheiten! Wir bleiben immer schön hinter euch.«
    Amy und Angus Nairn wurden

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