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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Spezies. Allerdings konnten sie dieses Problem nie lösen. Im Gegenteil, ihre Erklärungsversuche haben alles nur noch schlimmer gemacht.«
    »Meinen Sie die medizinischen Untersuchungen, die man an den Cagots vorgenommen hat?«
    »Ja, natürlich.«
    »Was kam dabei heraus?«
    »Sie führten zu einigen äußerst brisanten Erkenntnissen.« Der Bibliothekar nahm einen Schluck Wein und fuhr fort: »Die Ärzte des Königs versuchten damals, das Blut der Cagots zu analysieren. Was natürlich Mumpitz war. Dafür hatten sie nicht die wissenschaftlichen Voraussetzungen - das war schließlich im siebzehnten Jahrhundert. Trotzdem sorgte die ärztliche Untersuchung der Cagots unter der Geistlichkeit für einige Aufregung. Ich erinnere mich an die betreffende Stelle sogar im Wortlaut: >Es bestehen Befürchtungen, dass die Klasse, die als Cagots bezeichnet wird, nicht von den Kindern Gottes abstammen könnte.< Das hat der Bischof von Bordeaux an den König von Navarra geschrieben, nachdem er die Befunde der Ärzte gesehen hatte.«
    Der Satz klang lange nach in Simons Kopf, und er glaubte ihn sogar durch die kargen Betonkorridore hallen zu hören. Wie Türen, die eine nach der anderen aufgingen.
    Eine letzte Frage hatte er noch - dann musste er wirklich zusehen, dass er von hier wegkam. Unwillkürlich kam ihm Tomasky in den Sinn. Wie er sich mit dem Messer auf ihn gestürzt hatte. Wenn er hier von jemandem entdeckt wurde, der in weniger gutmütig beschwipstem Zustand war als Frater McMahon, würde er mit allem, auch mit dem Schlimmsten, rechnen müssen. Er sollte schnellstens weg von hier - aber erst, nachdem er noch eine letzte Frage gestellt hatte.
    »Warum haben Sie Ihren Glauben verloren? Es lag doch an etwas, was Sie hier, in diesem Raum, entdeckt haben.«
    »Habe ich…?«
    »Woran lag es?«
    Der pyramidenförmige Raum schien sich zusammenzuziehen, so als verengten und verdunkelten sich die extrem stark geneigten Betonwände mit ihren verrückten Winkeln. In seiner Mitte dieser wirres Zeug faselnde betrunkene Mönch, der nicht mehr an Gott glaubte.
    McMahon rieb seine traurigen Augen.
    »1942 traf der Papst mit Hitler eine Abmachung. Eine Art Friedensvertrag.«
    »Wie bitte?«
    Die Stimme des Mönchs war sehr leise.
    »Alles Schriftliche in Zusammenhang mit diesem Abkommen wurde hier aufbewahrt. Zusammen mit den Dokumenten über die Basken und die Cagots. Weil… ein Zusammenhang zwischen ihnen bestand.«
    »Was war das für ein Abkommen?«
    Der Bibliothekar rieb sich weiter die Augen. Zwanghaft. Als ob er niemanden ansehen wollte.
    »Haben Sie sich denn nie gefragt, warum Papst PiusXII. nie gegen die Vernichtung der Juden protestiert hat? Den ganzen Zweiten Weltkrieg lang nicht?«
    Simon runzelte die Stirn.
    »Doch, schon. Natürlich.«
    »Sehen Sie! Dieses unverzeihliche Versäumnis wird der römisch-katholischen Kirche seitdem als schwere Schande angelastet. Vielleicht sogar als ihre schlimmste Schmach überhaupt. Rom sah der Vernichtung der Juden durch Hitler vollkommen tatenlos zu. Die katholische Kirche verurteilte den Holocaust nicht einmal, sondern gab nur ein paar vage Äußerungen des … Missfallens von sich.«
    Simon stellte seine Frage noch einmal.
    »Und was war das jetzt für ein Abkommen?«
    »Hitler beziehungsweise seine Wissenschaftler hatten eine Entdeckung von enormer Tragweite gemacht. In den Lagern in Südwestfrankreich.«
    »Meinen Sie Eugen Fischer in Gurs?«
    Der Mönch nickte. Dann ließ er sich auf seinem Stuhl nach hinten sinken und sah an die spitz zulaufende Decke der Pyramide, als blickte er seinem verschwindenden Glauben hinterher.
    »Ja. Genau das war die Abmachung. Hitler sicherte der Kirche zu, nicht publik zu machen, was seine Forscher herausgefunden hatten. Denn ihre Forschungsergebnisse bestätigten, wissenschaftlich fundiert wohlgemerkt, was die Inquisition und die Untersuchungen der Cagots bereits Jahrhunderte zuvor angedeutet hatten. Erkenntnisse, die für die Kirche damals so peinlich waren, dass sie unbedingt unter Verschluss gehalten werden mussten. Zuerst im Angelicum. Dann hier. Erkenntnisse, die die Bibliothekare des Konvents in den Wahnsinn trieben. Erkenntnisse, die bei den Mönchen, im besten Fall, zu schweren Neurosen führten - wenn die armen Teufel nicht ohnehin schon wegen dieses aberwitzigen Baus hier aus dem Gleichgewicht geraten waren. Erkenntnisse, die einerseits zu folgenschwer und brisant waren, um sie an die Öffentlichkeit dringen lassen zu können, aber

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