Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
Vom Netzwerk:
der unbezwingbare Riese aus dem Wald: Angus gab einen Schuss ab, und von Miguels Kopf spritzte Blut, aber es war nur ein Streifschuss, eine Wunde in der Kopfhaut. Der Wolf war am Leben - und frei. Und gab seinen Männern bereits Zeichen.
    Der erste Gewehrschuss pfiff durch die Luft. David knallte den Gang hinein - schon klatschte ein zweiter Schuss gegen das Metall der Karosserie. Nairn riss die Autotür auf und hechtete auf den Rücksitz: David stieg aufs Gas, Sand wirbelte hoch, und dann griffen die Räder, und der Landrover schoss davon. Schneller. Immer schneller.
    Eine Kugel schlug in das Rückfenster ein, und auf Nairn prasselte ein Splitterregen nieder. Blindlings gab er sofort zwei, drei Schüsse durch das gezackte Loch in der Scheibe ab. Ein Mann sank zu Boden, eine kleine, rundliche Gestalt: Enoka.
    »Gib Gas!«, brüllte Angus. »Fahr!«
    David rang mit dem Lenkrad: »Aber wohin …?«
    »Da rauf.« Nairn deutete durch die Windschutzscheibe.
    David lenkte den Landrover in rasendem Tempo einen kleinen Hügel hinauf, hob an der Kuppe zu einem mächtigen Satz durch die Luft ab - und landete auf sandigem Untergrund, um heftig schaukelnd weiterzurasen. David konnte den Wagen nur mühsam unter Kontrolle halten, als er wild schleudernd zwischen den Kameldornakazien des ausgetrockneten Flussbetts hindurchkurvte.
    »David!«
    Amys Stimme schnappte fast über.
    Direkt vor ihnen tauchte ein Elefant auf - ein Zusammenstoß schien unausweichlich -, aber das riesige graue Tier kaute weiter träge an einem Zweig und sah sie nur ungerührt an, melancholisch und mitleidig…
    David riss das Steuer so heftig herum, dass der Landrover mit voller Geschwindigkeit auf die Seite kippte. Doch statt sich zu überschlagen und auf dem Dach zu landen und alle zu zerquetschen, landete er wieder auf allen vier Rädern, und sie rasten weiter.
    »Da, der Fluss«, schrie Angus hektisch. »Fahr am Fluss entlang!«
    Ohne lang zu überlegen, lenkte David den Landrover schliddernd die schlammige Uferböschung hinunter. Enten, Gänse und Webervögel flogen erschrocken quakend auf. Die Räder drehten immer wieder bedenklich durch, als sie am Fluss entlang weiterholperten, aber David schaltete herunter und beschleunigte wieder. Der große weiße Geländewagen war neu und schnell.
    Zehn, zwanzig, dreißig Minuten lang knüppelten sie so am Fluss entlang. Friedlich trinkende Oryxantilopen hoben, vom Lärm aufgeschreckt, die Köpfe und flohen. Springböcke suchten erschrocken das Weite, als der Geländewagen spritzend am Flussufer entlangholperte.
    »Da rein!«
    Angus deutete nach rechts. David steuerte den Wagen in ein trockenes Flussbett. Zugleich riskierte er bei dieser Gelegenheit - wieder einmal - einen Blick nach hinten. Es war niemand zu sehen. Sie hatten es tatsächlich geschafft.
    Sie waren entkommen.
    Das Grauen der letzten Stunden steckte David noch tief in den Knochen. Einerseits war ihm zum Heulen zumute, andererseits wäre er am liebsten in wildes Triumphgeheul ausgebrochen. Er tat jedoch weder das eine noch das andere, sondern fuhr einfach weiter. Wortlos. Niemand im Auto sagte etwas. Schließlich hielten sie an, um ein paar Minuten Rast zu machen. Amy fand eine Brandsalbe im Verbandskasten des Landrover und trug sie auf Davids angesengte Hand auf. Er sah sie an, als sie es tat. Sie weinte zwar nicht, aber über ihren Augen lag ein trüber Glanz. Sie kämpfte tapfer gegen ihre Angst an. David startete den Wagen wieder, und sie setzten ihre Flucht fort.
    Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel, und es war sehr heiß. David versuchte, seine eigene Angst, sein eigenes Entsetzen in den Griff zu bekommen.
    Warum? Warum war Miguel überhaupt hier? Wie schaffte er es, sie immer wieder aufzuspüren? Es war, als würden sie vom Tod selbst gejagt: nicht abzuschütteln, brutal und gnadenlos. Otsoko. Der Wolf. Unerbittlich.
    David hatte noch den Geruch seiner brennenden Kleider in der Nase. Er blieb stumm. Amy hielt seinen Arm. Auch sie sagte kein Wort.
    Nachdem sie eine Stunde lang den Fluss entlanggefahren waren, forderte Angus David auf, kurz anzuhalten, und erklärte ihm, welchen Weg sie nehmen mussten. David nickte und kämpfte sich mit heulendem Motor die schlammige Uferböschung auf trockenen, festen Untergrund hinauf. Steine und Sand. Sie fuhren weiter, immer weiter. Niemand sagte etwas.
    Inzwischen waren sie genau in Richtung Süden unterwegs. Es gab weder Straßen noch Wege. Die relative Üppigkeit des Damara-Flusslands wich purer

Weitere Kostenlose Bücher