Cagot
Gunstbezeigungen anflehte.
Angewidert wandte sich David ab. Das wollte er nicht mit ansehen; anhören müsste er es sich wohl oder übel, aber zusehen musste er nicht.
Eine tiefe Stimme hallte durch die Höhle. »Du!«
Er öffnete die Augen.
Miguel war jetzt auf Amy; wie ein dunkles Dach wölbte sich seine kräftige, langgestreckte Gestalt über die zierliche junge Frau. Aber Miguel sah die ganze Zeit David an und hielt immer noch die Pistole in der Hand.
»Du, Martinez. Sieh uns zu, oder ich bringe dich um. Sieh erst zu, und dann bringe ich dich um.«
Mit einer Mischung aus Abscheu und Wut schaute David verkniffen in ihre Richtung.
Amy lag auf dem Rücken. Auch sie war inzwischen nackt. Ihre Lippen suchten Miguels bloße Schultern und überhäuften sie mit gierigen Küssen. Bestürzt beobachtete David, wie Miguel in sie eindrang. Jetzt begannen sie zu ficken, sie taten es tatsächlich. Amy küsste ihn. Sie steckte ihre Finger in seinen Mund. Er nuckelte an ihnen, biss gierig auf sie ein, sog schmatzend daran. Das Gesicht zu einer Grimasse der Lust verzerrt, warf er sich stöhnend und unter wildem Aufbäumen immer wieder gegen sie.
»Meine süße rote Marrubi … mein kleines Mädchen. Si? Du liebst doch deinen Papa noch …«
Seine Zähne schnappten nach ihren weißen Brüsten, seine dunklen Hände krallten sich in ihre hellen Pobacken, und seine schwarze Gestalt erhob sich, mit seinem wölfischen Mund an ihren roten Brustwarzen nuckelnd, über dem Weiß ihres Körpers. David wurde halb ohnmächtig vor Verzweiflung.
Und dann kam Miguel zum Höhepunkt. Seine Arme begannen zu zittern, und er sackte auf Amy zusammen.
Sein Kopf sank auf ihre nackten weißen Brüste, und sie streichelte ihn zärtlich.
Dann weiteten sich ihre Augen, und sie sah David mit einem unergründlichen Blick an.
»Los, schnell weg.«
David war baff.
»Was?«
»Er schläft. Nach dem Sex schläft er immer ein. Unweigerlich. Ganz fest. Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren!«
Vorsichtig schob sie Miguel von sich. David stellte erstaunt fest, dass sie recht hatte: Miguel schnarchte. Er schlief tief und fest. Nicht einmal als Amy ihn zur Gänze von sich schob und er auf dem sandigen Felsuntergrund zu liegen kam, regte er sich.
David wandte den Blick ab, als Amy in ihre Kleider schlüpfte; in seinem Kopf drehte sich ein Strudel aus Fragen. Hatte sie das wirklich nur getan, um Miguel zu entkommen? Was war das für eine grausame schwarze Komödie gewesen? Als er sich von Amy abwandte, fiel sein Blick auf die Pistole, die Miguel aus der Hand geglitten war. »Meine Hände. Amy.«
Amy war bereits bei ihm und band ihn los. Sobald seine schmerzenden Handgelenke nicht mehr gefesselt waren, beugte sich David vor und hob die Pistole auf; dann vergewisserte er sich, dass Enoka nirgendwo zu sehen war.
Er hätte den Terroristen erschießen können. Den Wolf töten. David blickte auf den Kopf seines schlafenden Peinigers hinab.
Er brachte es nicht über sich. Er konnte keinen schlafenden Menschen töten; er konnte grundsätzlich keinen Menschen töten. Er war Anwalt und kein Killer. Das Ganze war grotesk; schrecklich, aber grotesk. Und außerdem: Selbst wenn er Miguel tötete, besiegen konnte er ihn nicht. Die Graffiti würden weiter an die Mauern der baskischen Dörfer gesprüht. Otsoko. Der Wolf. Die Szene, deren Zeuge er gerade geworden war, würde unauslöschlich in sein Gedächtnis eingeprägt bleiben.
Amy flehte ihn an. »Bitte!«
Er beugte sich ihrem Drängen. Sie tasteten sich über den Felsabsatz, aus der Höhle, über die kleine Lichtung, in den Schutz des Waldes. Sie würden es schaffen. David spürte den Kitzel der geglückten Flucht, obwohl ihn die grässliche Szene immer noch nicht losließ. Amy lief vor ihm einen Pfad hinauf, zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch.
»Zara muss jeden Moment kommen.«
Der Pfad ging in einen schmalen Forstweg über, der wiederum in eine neblige Dorfstraße. Über dem desolaten Hauptplatz ragte der Turm der Kirche von Zugarramurdi in den Himmel.
»Da!«
Amy spurtete auf ein Auto zu, das vor der Kirche stand. Sie riss die Beifahrertür auf, David sprang auf den Rücksitz. Zara, die am Steuer saß, stellte in hektischem Spanisch Fragen, aber Amy keuchte nur: »Schnell! Fahr!«
Das Auto schoss los, aus Zugarramurdi hinaus, eine Bergstraße hinunter.
David beugte sich von hinten über den Beifahrersitz und sah Amy an.
Sie gab keinen Laut von sich, aber sie weinte.
12
Zara fuhr sie rasch
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