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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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zu der Stelle, an der sie den Leihwagen abgestellt hatten; mit dem Auto dauerte es nur wenige Minuten, um die Strecke zurückzulegen, für die sie zu Fuß eine Stunde gebraucht hatten. Amy schwieg; sie trocknete ihre Tränen und sagte trotz Zaras hartnäckiger Fragen kein Wort.
    Als David und sie schließlich ausstiegen, bedachte sie die spanische Journalistin mit einem frustrierten, verständnislosen Blick. Ganz offensichtlich ärgerten Zara das beharrliche Schweigen und die Geheimnistuerei. Mit einem wortlosen Schmollen reichte sie Amy ihre Tasche: die Tasche, die Zara auf ihren Wunsch zusammen mit dem Zweitschlüssel aus Amys Wohnung geholt hatte.
    Zara sah ihre Freundin ein letztes Mal ratlos forschend an, bevor sie den Motor wieder startete und wegfuhr.
    Amy und David gingen schweigend den schlammigen Pfad hinauf und stiegen in den schmutzbespritzten Leihwagen.
    Sie bewegten sich vollkommen mechanisch. Wie Roboter. Zwischen den Bäumen hing dichter Nebel. David setzte sich ans Steuer, ließ den Motor an und manövrierte den Wagen an den Straßenrand. Sie waren umgeben von tiefem, dunklem Wald.
    David zog die Pistole aus seiner Tasche, sah sie kurz an und schleuderte sie entschlossen aus dem Auto; dann legte er den Gang ein, machte eine rasche Rechtskehre und fuhr los, in Richtung Frankreich. Weg aus Spanien, weg von Miguel, weg von dem Killer. Weg von der Hexenhöhle von Zugarramurdi.
    Amy sagte nichts. Nach einer Weile fragte David: »Und? Bei dir so weit alles okay?«
    »Ja.« Sie blickte gefasst aus dem Fenster, auf die vorbeiflitzenden Bäume. »Es geht so.«
    Vor ihnen tauchte ein Auto auf - David kämpfte gegen einen Anfall von Panik an, aber es war nur ein Bauer in einem schmutzigen blauen Kombi. Er überholte ihn und beobachtete im Rückspiegel, wie er hinter ihnen im Nebel verschwand.
    Mehrere Minuten vergingen. Amy blickte erwartungsvoll zu ihm herüber.
    »Wir fahren nach Frankreich?«
    »Ja.«
    »Okay … das ist gut.«
    Sie fuhren wieder in die Berge hinauf. Nach zehn Kilometern erreichten sie eine felsige Passhöhe, eine kahle graue Stelle inmitten dichter Wälder, bewacht von majestätisch am Himmel kreisenden Adlern mit mächtigen Schwingen. Und dann hatten sie die nur durch einen schlichten Stein markierte Grenze überquert und waren in Frankreich. Sie kamen an einer verlassenen Zollstation vorbei, danach ging es wieder bergab.
    Langsam begann die Anspannung von David abzufallen. Wenigstens waren sie jetzt raus aus Spanien, wo er und Amy dem Tod hautnah entkommen waren. Wo Amy… vergewaltigt worden war. War es Vergewaltigung gewesen? Was war in dieser Höhle eigentlich passiert?
    Zum fünfzehnten Mal in dreißig Minuten schaute er in den Rückspiegel, um zu sehen, ob ihnen ein Auto folgte. Ein rotes Auto.
    Aber es war weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen. Er musste immer wieder an die Hexenverbrennungen von Zugarramurdi denken, als er die verlassene Bergstraße hinunterkurvte.
    Er konnte sich die grausigen Szenen lebhaft vorstellen: eine junge Frau, die an den Haaren über den düsteren, kopfsteingepflasterten Platz gezerrt wurde; die Dorfbewohner, die sie beschimpften und mit Steinen bewarfen; die räudigen Hunde, die kläffend und schnappend um sie strichen. Er konnte das ängstliche Wimmern der Bauernkinder hören, die im Kerker ihre Eltern der abscheulichsten Handlungen beschuldigten. Er konnte die Geistlichen mit den schwarzen Kapuzen sehen, wie sie die Frauen nackt auszogen und nach den Teufelsmalen absuchten …
    Er versuchte, sich diese schrecklichen Bilder aus dem Kopf zu schlagen, und konzentrierte sich aufs Fahren. Am Fuß der Berge war die Straße jetzt nicht mehr so steil und kurvig. Die Sonne begann, sich durch die dünner werdende Wolkenschicht zu brennen, und wenig später spannte sich ein strahlend blauer Herbsthimmel über die grünen Hügel und Täler der südlichen Gascogne.
    »Er hat Holz gehackt, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe«, fing Amy unvermittelt zu erzählen an.
    David, der in seine eigenen Gedanken versunken gewesen war, blickte zu ihr hinüber.
    Sie wiederholte den Satz. Und was dann folgte, war eine Beichte, eine Beichte, die sie bitter nötig hatte.
    »Es war auf einem baskischen Volksfest, da habe ich Miguel kennengelernt. Die Basken pflegen ziemlich rustikale Sportarten. Die Force Basque. Herri Koralak. Ein ländliches Kräftemessen.« Die Fransen ihres Ponys hoben sich im Luftzug, der durch das offene Autofenster kam. »Er schleuderte

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