Cagot
allein war. Er wurde von einem kleinen, dicken Mann begleitet. Miguel gestikulierte in seine Richtung.
»Enoka? La cuerda…«
Auf die Hand von Miguels Begleiter, die ein Seil hielt, war ein Lauburu tätowiert. Der untersetzte Mann, Enoka, kam auf sie zu.
David warf Amy einen verzweifelten Blick zu.
Sie hatten bereits ein Seil dabei? Hatten sie gewusst, dass sie Amy und ihn hier finden würden?
Enoka machte sich an die Arbeit. Er fesselte Amy und David die Hände auf den Rücken, während sie, von Miguels Pistole in Schach gehalten, stumm und reglos dasaßen. In wenigen Sekunden waren sie gefesselt, wie wehrlose Tiere auf dem Weg zum Schlachthof.
Dann begann Miguel mit unterdrückter Leidenschaft zu sprechen. Sein Schatten, den das flackernd reflektierte Licht des Bachs an die Höhlendecke warf, war lang.
»Eines muss man dir lassen, Martinez. Autofahren kannst du. Sehr gut sogar. Nicht übel. Trotzdem hast du keine Ahnung von diesen Bergen. Oder von diesem Ort. Unserer Sprache. Aber wie solltest du auch? Hikuntzta ez da nahikoa! Ist es nicht so?«
Halb lächelnd blickte sich Miguel in der Höhle um, während seine Worte noch von den Wänden hallten.
»Ich habe dir doch gesagt, was passieren wird, wenn du mir noch einmal über den Weg läufst. Und jetzt auch noch in der Hexenhöhle! Ausgerechnet. Die kleine Hexe und ihr großer Gascon-Freund. Besser hätte es gar nicht kommen können.« Er drehte sich um. »Erinnerst du dich noch, Amy? An unser tolles Picknick hier?«
Er beugte sich zu Amy hinab und betrachtete sie aus der Nähe. Angewidert beobachtete David, wie er mit dem Lauf seiner Pistole Amys Gesicht streichelte. Er streichelte sie.
»Mhm. Amy? War das nicht köstlich? Erinnerst du dich an die phantastische Blutwurst? Die Tripota. Dein süßes Marmatiko.«
Sie sagte nichts. Er sprach weiter.
»Haben wir hier nicht auch miteinander geschlafen? Oder war das in einer anderen Höhle? Nein, nein, es war hier, oder? Ich bin nicht mehr sicher.«
Sie hatte das Gesicht weggedreht, aber Miguel hob ihr Kinn mit dem Lauf der Pistole an und zwang sie, ihn anzusehen. Er lächelte still in sich hinein. Sie schaute finster.
Aber plötzlich lächelte auch sie.
Fassungslos sah David sie an.
Amy blickte lächelnd, fast verführerisch, zu Miguel auf, als er murmelte: »Dir ist doch klar, dass ich ihn umbringen werde, oder?«
Sie nickte.
»Ja.«
»Sollten wir vorher nicht noch etwas Spaß miteinander haben, Amy?«
Sie nickte wieder, und er beugte sich ganz tief zu ihr hinab.
»Dantzatu nahi al duzu nirekin. Bevor wir ihn umbringen.«
»Ja«, hauchte sie geradezu inbrünstig. »Bitte, ja. Fick mich hier. Fick mich, genau wie damals.«
Miguel lachte. Ein trauriges, genüssliches Lachen. David verstand die Welt nicht mehr. Was ging hier vor sich?
Wieder zog der Terrorist mit dem Stahl der Pistolenmündung eine Linie von Amys Ohr zu ihren Lippen - wie ein Chirurg, der eine Inzision probt, oder ein Metzger, der ein Filet markiert. Dann drehte er sich zu seinem Begleiter um, der sich verlegen im Hintergrund hielt.
»Enoka. Vaya, adiösl«
Die Erleichterung im Gang des untersetzten Manns war unübersehbar, als er sich eilends entfernte. David schaute von Miguel zu Amy und wieder zu Miguel. Innerlich starr vor Schrecken, versuchte er, aus ihren Mienen schlau zu werden.
Amy lächelte immer noch, das Gesicht weiter dem Terroristen zugewandt: unterwürfig, flehentlich und lüstern. Das Zucken von Miguels Augenlid war kaum zu erkennen. Schwerer zu übersehen war die Erektion in seiner Khakihose.
Angst und Abscheu absorbierten Davids Gedanken. Er wollte Amy nicht einmal ansehen. Wie konnte sie so etwas tun? War das Ganze ein brutaler Scherz auf seine Kosten? Versuchte sie nur, ihre eigene Haut zu retten? Oder begehrte sie Miguel tatsächlich? War das irgendein abartiges psychosexuelles Spiel, das die beiden trieben - und er der Zuschauer, den sie dafür brauchten?
Sein Herzschlag stockte vor Wut - und Verachtung - und Machtlosigkeit.
Enoka war aus der Höhle verschwunden. Sie waren allein. Miguel und Amy - und David. Der Terrorist band Amys Hände los. Sobald sie nicht mehr gefesselt war, fasste sie damit nach Miguel, löste seinen Gürtel, zog seine Hose nach unten und zerrte an seinem Hemd; dann machte sie sich daran, ihn wie eine Haremsdame, die einen Sultan für eine Liebesnacht umgarnt, unter seinem stoppeligen Kinn zu küssen und seine Wangen zu liebkosen. Eine Hexe, die den Ziegenbock um seine
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