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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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bereits wieder eine Frage stellen, aber sie brachte ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen und fuhr fort: »Vor etwa vierhundert Jahren war Zugarramurdi das Zentrum eines richtigen Hexenwahns. Es gab da einen französischen Hexenjäger, Pierre De Lancre, der war der Ansicht, dass …« Amy verzog das Gesicht. »Er war der Ansicht, dass im Grunde genommen alle Basken Hexen wären. Weil die Basken so anders waren, eine leicht auszumachende Minderheit. Sie waren sozusagen die Anderen.«
    »Meinst du … wie die Juden?«
    »Natürlich. Das Ganze ging zirka … 1610 los. Ein baskisches Mädchen aus der Gegend hier, das längere Zeit in Ciboure bei Saint Jean de Luz an der Küste gearbeitet hatte, kam eines Tages in ihr Heimatdorf in den Bergen zurück. Nach Zugarramurdi.«
    Das Licht, das sich im Bach brach, flackerte über die Höhlendecke. Stalaktiten durchstießen die Leere.
    »Die junge Frau hieß Maria de Ximildegui, und sie begann, ihre Freunde und Verwandten als Hexen zu denunzieren. Daraufhin verständigten die einheimischen Geistlichen die Inquisition. Kinder wurden von ihren Familien getrennt und verhört. Die Kinder erzählten von Albträumen, in denen nackte, schmierige Hexen mit ihnen zum Hexensabbat geflogen waren. Dort erschien der Teufel in Gestalt eines riesigen, auf den Hinterbeinen gehenden Ziegenbocks, der mit den Frauen und Kindern Geschlechtsverkehr hatte. Er soll einen extrem dicken und eiskalten schwarzen Penis gehabt haben. Danach brachte er mit seinem Huf ein Mal auf ihrer Stirn an. Das berüchtigte Teufelsmal. Es zeigte an, dass er die betreffende Frau besessen hatte.«
    Amys Miene war todernst, als sie David ansah. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte; sollte er lachen oder Einspruch erheben? Ihre Stimme wurde von den Wänden der Höhle zurückgeworfen, als sie fortfuhr. »Und so begann der ganze Irrsinn. Die Geistlichen meldeten, was sie vorgefunden hatten, und der Hexenwahn breitete sich im ganzen Tal aus und weiter bis nach Elizondo, Lesaka und San Sebastian. Tausende wurden festgenommen, David, buchstäblich Tausende. Frauen, Kinder, Männer … Und dann gingen die Geistlichen ans Werk, unterzogen die Menschen der peinlichen Befragung, folterten sie und quälten sie bis aufs Blut.«
    David versuchte, nicht an ihre Narbe zu denken.
    »Aber … war das denn nicht in ganz Europa der Fall?«, fragte er nach. »Das war doch zur damaligen Zeit ein weitverbreitetes Phänomen. Es war wie in Salem, einfach ein Hexenwahn. Oder nicht?«
    »Nein. In einem solchen Umfang hat es das sonst nirgendwo gegeben. In Europa war es wahrscheinlich der schlimmste Fall von Hexenwahn. Die sogenannte baskische Traumepidemie. Die Inquisition verstümmelte Hunderte Beschuldigter. Dutzende wurden von Dorfbewohnern gelyncht. Fünf wurden allein in Logrono von Amts wegen verbrannt.«
    »Und De Lancre?«
    Amy starrte in das graue Höhlenlicht. »De Lancre war noch fanatischer als die Inquisition. Wie gesagt, er war richtig besessen von dem Gedanken, dass alle Basken Hexen seien, eine von Natur aus böse Rasse, die ausgerottet werden musste. Er verbrannte Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Menschen. Es war ein regelrechter Völkermord. Gleich dort drüben, in Iparralde. Im Land dahinter.«
    Sie deutete auf das kleine Rinnsal. »Er heißt immer noch Höllenbach. Aber das Verrückteste ist, dass De Lancre selbst Baske war. Er tat das alles aus purem Selbsthass.«
    Ihre Worte verhallten. David wollte ihr gerade eine weitere Frage stellen, aber seine noch halb ausgeformten Gedanken wurden schon im Ansatz wieder zerquetscht - von einer extrem tiefen Stimme, die laut durch die Höhle dröhnte.
    »Epa.«
    Er wirbelte herum.
    Miguel. Da stand er. Am Eingang der Hexenhöhle.
    David blickte sich hektisch um, überlegte fieberhaft. Egal, auf welchem Weg sie von hier entkommen wollten - entweder tiefer in die Höhlen hinein oder zurück zum Eingang -, sie mussten an Miguel vorbei. Sie saßen in der Falle.
    »Epa.«
    Dieses eine baskische Wort kannte David bereits: »Hallo.« Das Lächeln des Terroristen war lässig, aber wütend; der Lauf seiner Pistole zeigte in ihre Richtung.
    »Euzkaraz badakisvrt Aber nein. Wie konnte ich nur? Ihr Amerikaner sprecht ja nur eine Sprache. Aber ich will euch das mal… in etwas lauschigerer Atmosphäre erklären.«
    Die Pistole auf sie gerichtet, kam der große Baske auf sie zu. Je näher er kam, umso langsamer ging er, und als Miguel sich schließlich umdrehte, merkte David, dass er nicht

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