Cagot
feuchten Laub immer wieder den Halt. Trotz der Kälte, die unter den nässetriefenden Bäumen herrschte, schwitzte er. Amys Hand fühlte sich klamm an in der seinen. Und immer noch bildete er sich ein, das bedrohliche Knacken der Schritte ihres Verfolgers zu hören. Aber vielleicht war es nur wieder ein Pottok.
Der steile Hang begann sich abzuflachen, das Schwarz der dicht stehenden nassen Bäume wich zunehmender Helligkeit - Himmel und Licht. Sie stießen auf einen Pfad. Eine Stunde Klettern und Angst hatte sie in die Zivilisation zurückgebracht.
»Hier … da hinunter.« Er griff wieder nach Amys Hand. Sie duckten sich unter einer alten, halb umgestürzten Eiche hindurch. Brombeergestrüpp bewachte den Weg. Der steinige Pfad wand sich auf den Grund eines kleinen Tals hinab.
»Ich weiß, wo wir sind«, sagte Amy unvermutet.
»Wo?«
»Nicht weit von Zugarramurdi.« Sie deutete auf den sich lichtenden Nebel. »Ein Dorf. Es liegt gleich dort drüben, hinter dem Hügel.«
»Worauf warten wir dann noch - los! Wir können in ein Cafe gehen und…«
»Nein. Warte!« Ihre Stimme klang scharf, angespannt, besorgt. »Er kennt sich hier bestens aus … und vermutet bestimmt, dass wir irgendwann dort auftauchen. Wir müssen …« Sie kramte in ihrer Tasche und holte ihr Handy heraus. »Wir müssen uns verstecken, bis uns jemand abholen kommt.«
Vermutlich, um einen besseren Empfang zu bekommen, kletterte sie den nassen Abhang wieder ein paar Meter hinauf. David sah sie auf eine Taste drücken, hörte sie in hektischem Flüsterton Zara und por favor sagen; vermutlich rief sie ihre Freundin Zara Garcia an, die Journalistin. Gleich darauf steckte sie das Handy wieder ein und wandte sich ihm zu. »Alles klar, sie kommt her und holt uns ab. Sie dürfte etwa eine halbe Stunde brauchen.«
»Aber wo verstecken wir uns … bis …?«
»Komm.«
Sie hatte bereits begonnen, rasch, aber ohne Hektik den Hang weiter hinunterzusteigen. Verwirrt und unbeholfen folgte ihr David. Um nicht zu fallen, musste er sich immer wieder an Baumwurzeln festhalten. Nach einer Kurve wurde der schlammige Pfad schließlich breiter - und endete vor dem Eingang einer riesigen Höhle.
Amy deutete. »Da, die Hexenhöhle von Zugarramurdi.«
Die gewaltige Höhle war ein an beiden Enden offener natürlicher Tunnel, durch den ein kleiner Bach lief - wie ein Abwasserrinnsal in einer gigantischen Betonröhre. Das von dem plätschernden Wasser reflektierte mattgraue Licht flackerte über das langgezogene Höhlendach.
»Was für eine Höhle?«
Amy verzog keine Miene.
»Die Hexenhöhle von Zugarramurdi. Hier können wir uns verstecken. Diese Höhlensysteme sind endlos.«
»Bist du da sicher?«
Sie nahm sich nicht die Zeit, ihm zu antworten. Wahrscheinlich zu Recht, fand David. Nach der anstrengenden Flucht durch den Wald sehnte auch er sich nach einer Rast. Amy schien am Ende ihrer Kräfte; ihr Gesicht war schlammverschmiert. Sie mussten sich unbedingt ausruhen.
Vorsichtig tastete sich Amy an der Seite der Höhle entlang. Der schmale Weg duckte sich unter dem steinernen Dach hindurch und endete auf einem flachen Felsabsatz, von dem man auf den Hauptraum der Höhle blickte, einen hohen, hallenden Tunnel. Überall fraßen sich dunkle Nischen in den weichen weißen Stein, von denen weitere Gänge abgingen. Es war, wie Amy gesagt hatte, sie waren in einem Labyrinth aus unterirdischen Gängen und Kammern, das sie tiefer in den Fels hineinlockte.
Sie setzten sich. Nach der klammen Kälte im Wald fühlte sich der trockene, warme Stein wie Seide an.
Erschöpft ließ David den Kopf auf den Fels sinken. Er schloss die Augen, öffnete sie aber sofort wieder. Sie durften sich auf keinen Fall in falscher Sicherheit wiegen. Er schüttelte die Schläfrigkeit ab und blickte sich in der Höhle um.
»Das ist also die Hexenhöhle.«
»Ja.«
»Und warum heißt sie so?«
Amy schien bedrückt und zuckte mit den Achseln.
»Eine ziemlich schaurige Geschichte, Jose hat sie mir mal erzählt. Es scheint ihm richtig Spaß gemacht zu haben, sie mir zu erzählen.«
»Und?«
Amys Lächeln war von Müdigkeit durchtränkt. »Du willst wohl immer alles ganz genau wissen.«
»Klar will ich immer alles ganz genau wissen. Jetzt erzähl schon. Sonst schlafe ich noch ein.«
»Na schön.« Sie spitzte die Lippen und dachte kurz nach. »Diese Höhle und die Wiesen dahinter … das war früher der Akelarre, der Ort, an dem die baskischen Hexen ihren Sabbat abhielten.«
Er wollte
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