Caitlin, du bist zauberhaft
ständig gesagt.“
„Du bist ja auch sehr hübsch.“
„Ich habe viele schöne Erinnerungen an meinen Vater“, sagte Caitlin. „Wir hatten zwar kein Geld, und wir hatten meist nur eine dürftige Unterkunft, aber dafür hatten wir Liebe. Das habe ich mir in den schlimmsten Zeiten immer wieder ins Gedächtnis gerufen.“
„Wann ist er gestorben?“
Sie sprach ganz ruhig, obwohl es auch heute noch schmerzte. „Ich war soeben mit dem College fertig geworden. Er erlitt einen schweren Herzinfarkt. Bei meiner Abschlussfeier war er noch unglaublich stolz, trug ausnahmsweise eine Krawatte und strahlte den ganzen Tag.“ Nathan drückte ihre Hand. „Ich hätte ihn gern kennen gelernt. Bestimmt hätte ich ihn gemocht.“ Daran zweifelte Caitlin nicht. Nathan beurteilte Menschen nicht nach dem Äußeren, der gesellschaftlichen Stellung oder dem Bankkonto. Alle seine Mandanten behandelte er gleich, ob sie nun ein Niemand oder eine lokale Größe waren. Zu seinen Freunden gehörten Ärzte, Bankleute, Handwerker und Arbeiter. Kein Wunder, dass sie so viel für ihn empfand, obwohl sie Beruf und Privates nicht vermischen wollte.
„Ich würde gern irgendwann mit dir deine Mutter besuchen“, sagte er zu ihrer Überraschung.
„Warum denn das?“
„Weil sie deine Mutter ist“, erwiderte er schlicht.
„Sie weiß aber gar nicht mehr, dass ich ihre Tochter bin“, gestand Caitlin. „Sie hat alles vergessen, sitzt in einem Sessel und hat sich völlig in sich zurückgezogen. Manchmal murmelt sie etwas, aber es ergibt keinen Sinn. Manchmal singt sie, aber man erkennt keine Melodie und auch keinen Text. Wenn ich sie besuche, spreche ich mit ihr, aber ich glaube, sie merkt nicht einmal, dass jemand bei ihr ist.“
„Trotzdem besuchst du sie und versuchst, sie zu erreichen, obwohl sie das umgekehrt nicht mehr schafft. Caitlin, wir sind uns sehr ähnlich, wir beide.“
Ihr war bisher nie in den Sinn gekommen, dass sie überhaupt etwas gemeinsam hatten – mit Ausnahme des Berufs. Rasch öffnete sie die Akte. „Was also nun den Fall Smith angeht…“
„Nate?“ lsabelle kam herein, rieb sich die Augen und brachte die Eule mit. „Ich fühle mich wieder nicht gut.“
Er stand auf, um seine Schwester zu versorgen, und Caitlin schloss resigniert die Akte. Heute kamen sie offenbar wieder nicht zum Arbeiten.
14. KAPITEL
In den zweieinhalb Wochen seit Isabelles Krankheit hatte Caitlin viele Abende mit Nathan und Isabelle verbracht. Sie hatten zusammen gegessen, waren im Kino gewesen und mit Isabelle zum Spielplatz gegangen. Nun standen die Feiertage vor der Tür, und Isabelle hatte in der Vorschule viel Programm. Dazu nahm sie jetzt zwei Mal pro Woche Ballettunterricht, seit sie Nathan gedrängt hatte, sie dort einzuschreiben. Ab und zu waren er und Caitlin sogar einige Stunden allein, während Mrs. Tuckerman aushalf.
Diese Zeit nutzten sie sehr gut aus.
Caitlin arbeitete am Tag nicht mehr sechzehn, sondern nur noch zehn bis zwölf Stunden. Vielleicht schaffte sie deshalb nicht mehr alles, was sie sich aufgebürdet hatte. Von Anfang an hatte sie befürchtet, die Beziehung mit Nathan könnte ihre Arbeit stören.
„Sie und Mr. McCloud sollten überlegen, ob Sie nicht noch einen Juristen in die Kanzlei aufnehmen wollen“, riet Irene nach einem besonders anstrengenden Nachmittag. „Er könnte Ihnen einige der Zeit raubenden Insolvenzfälle abnehmen.“
„Darüber sollten wir wirklich mal nachdenken“, erwiderte Caitlin und bearbeitete weiter die Tastatur.
„Ms. Briley, ein Anruf auf Leitung zwei“, meldete Mandy über die Sprechanlage. „Ein Mr. Tom Hutchinson aus Los Angeles.“
Irene ging hinaus, und Caitlin betrachtete unglücklich das Telefon. Sie wusste nicht, was sie Tom sagen sollte. Andererseits konnte sie ihn auch nicht warten lassen.
„Katie, hü. Hier ist Tom.“
Sie ärgerte sich auch heute noch, wenn er sie so nannte. „Wie geht es dir, Tom?“
„Großartig, könnte gar nicht besser sein. Ich arbeite an zwei wichtigen Fällen und verdiene mehr, als ich mir jemals erträumt hätte. Die Arbeit in der Firma ist hart, und hier geht es rau zu. Fehler werden nicht verziehen. Manchmal ist es unerträglich. Aber man hat eine viel versprechende Zukunft vor sich.“
„Das freut mich für dich, Tom. Schließlich hast du dir das immer gewünscht.“
„Das haben wir beide uns immer gewünscht. Darüber haben wir doch an der Uni gesprochen.“
„Ich weiß.“
„Du musst herkommen, Katie. Die
Weitere Kostenlose Bücher