Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
an seinen Vater schicken will.«
»Eigentlich sollten wir ihn zappeln lassen«, sagte Antonius. »Er hat nicht einmal uns reinen Wein eingeschenkt. Und er gehört doch zu unserer Bande. Aber ich komme trotzdem mit, ich platze vor Neugierde, was er mit dem Maultier wollte.«
Sie liefen die Breite Straße hinunter zum Forum Romanum. Das Forum mit seinen vielen buntbemalten Statuen, heiligen Tempeln und öffentlichen Gebäuden galt in der ganzen Welt als Mittelpunkt des Römischen Reiches. Während der Mittagsstunden lag es genauso verödet da wie die Breite Straße. Zwei kleine Jungen in zerlumpten Tuniken benutzten die Gelegenheit, um mit einem selbst gezimmerten Rennwagen von einem Ende des großen Platzes bis zum anderen hin und her zu rasen. Auf die Vorderwand hatten sie mit grüner Farbe IIOCH BEN GOR gemalt. Auch hatten sie sich lange grüne Bänder um den Kopf gewickelt, die hinter ihnen her flatterten. Zwei Polizisten, die vor dem Senatsgebäude Wache standen, schauten ihnen wohlwollend zu. Sie waren wahrscheinlich auch leidenschaftliche Verehrer des Nationalhelden Ben Gor. Ein paar vereinzelte Sklaven, die in den nahe liegenden Markthallen eingekauft hatten, strebten mit vollbepackten Körben nach Hause. In einer schattigen Ecke der Basilika Julia saßen zwei Männer und spielten Schach. Mehrere Müßiggänger schauten ihnen andächtig zu.
Als die Jungen am Tempel der Eintracht vorbeiliefen, der sich zu Füßen des Kapitols hinstreckte, blieb Julius plötzlich stehen. »Halt!« brüllte er.
»Was hast du?« fragte Mucius ungeduldig.
»Wir sind blöd«, sagte Julius. »Caius wird doch nicht so hirnverbrannt sein und vor dem Ende des Unterrichts bei sich zu Hause auftauchen. Dann merkt doch jeder gleich, daß er die Schule schwänzt.«
»Heiliger Dreizack«, rief Mucius, »daran habe ich nicht gedacht.« Er plumpste auf eine der Marmorstufen des Tempels nieder und fuhr sich mit gespreizten Händen durch seine braunen Locken.
»Wir können auch nicht heute abend zu ihm gehen«, sagte Rufus. »Oder morgen früh. Dann ist sein Vater zu Hause, und der wittert sofort Unrat, wenn wir so plötzlich zu einer ungewohnten Zeit ankommen.«
»Wie wär's, wenn wir uns dem alten Herodes, Caius' Erzieher, anvertrauten?« schlug Rufus vor. »Ausgeschlossen«, sagte Mucius. »Herodes ist verpflichtet, alles, was Caius betrifft, zu melden.«
Jetzt hatte Flavius eine Idee. »Warum warten wir nicht hier, bis einer der Sklaven des Hauses Vinicius vorbeikommt. Er kann doch Caius warnen.«
»Das ist zu gefährlich«, sagte Julius. »Es gibt immer schwarze Schafe unter den Sklaven. Wenn wir an den Unrechten gelangen, rennt er sofort zu Vinicius und verrät Caius, um sich beliebt zu machen bei seinem Herrn und Meister.«
»Caius ist verloren«, murmelte Flavius.
Die Jungen schwiegen ratlos.
»Ich weiß, was wir tun«, rief Antonius.
»So?« brummte Mucius skeptisch. Antonius' Vorschläge waren gewöhnlich nur Hirngespinste. »Wir gehen zur Villa Vinicius hinauf«, fuhr Antonius fort, »und erzählen alles Claudia.« »Klar wie Nektar«, rief Rufus zustimmend. »Claudia wird sich lieber von den Harpien zerfleischen lassen, als ihren Bruder zu verpetzen.« Rufus hatte eine unerschütterliche hohe Meinung von Claudia.
Mucius sprang von neuem Mut beseelt auf. »Warum sind wir nicht gleich darauf gekommen. Jetzt aber rasch! Hoffentlich ist sie zu Hause.«
Sie hetzten über das Forum. Von dort durchquerten sie die Subura. Hier hielten sie sich dicht zusammen, denn dieser Stadtteil war der Schlupfwinkel vieler Verbrecher, heruntergekommener Gladiatoren und geflohener Sklaven. Am Ende der Subura bogen sie in eine schmale Seitengasse ein und jagten schließlich die steilen Stufen zum Esquilinushügel hinauf.
Vinicius' palastartiges Gebäude stand auf dem Minervaplatz, gegenüber dem kleinen Tempel, der dem Emperor geweiht war. Als die Jungen die Villa erreichten, stutzten sie. Alle Fensterläden waren verrammelt, und kein Laut drang aus dem Haus.
»Was hat das zu bedeuten?« sagte Julius keuchend.
»Das werden wir gleich hören«, schnaufte Mucius. Er klopfte entschlossen mehrmals mit dem Eisenring gegen die massive Doppeltür, aber nichts rührte sich dahinter.
»Seltsam«, sagte Rufus. »Warum öffnet niemand?«
»Das Haus ist verzaubert«, flüsterte Antonius.
Flavius wurde blaß und wich ein paar Schritte zurück. »Glaubst du wirklich?« Antonius nickte düster. »Sie haben vergessen, Hekate, der Göttin aller Hexen,
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