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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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Privatschule für die Söhne reicher Patrizier aufzumachen.
    Ihr Lehrer hieß in Wirklichkeit Xanthos. Seine Schüler hatten ihn mit dem Spitznamen Xantippus beehrt, weil er sie an die zänkische Xanthippe erinnerte, die Frau des weltberühmten Philosophen Sokrates, der vor vierhundert Jahren in Athen gelebt hatte. Es hieß, daß seine Frau ihm das Leben zur Hölle gemacht habe. Xantippus machte seinen Schülern auch manchmal das Leben zur Hölle, fanden sie.
    Zum Glück rückte die große Mittagspause heran. Sie schielten sehnsüchtig auf die Breite Straße hinaus. Hinter dem Hügel des Kapitols stieg gerade die Sonne hoch und strahlte das Dach des Jupitertempels an. Vom Norden her fuhr eine kühle Brise durch die Pappeln am Rand der Bürgersteige, und die ersten welken Blätter flatterten aufs Pflaster. Auf der Straße waren nur wenige Menschen zu sehen. Die meisten Bürger tummelten sich während der Mittagsstunde in den öffentlichen Bädern, von denen es Hunderte gab in Rom; andere waren nach Hause geeilt zu einer ausgedehnten Siesta. Der Schule schräg gegenüber lag der Laden ihres Freundes, des Bäckers Patrick, und ein verlockender Duft von frisch gebackenen Hörnchen drang den Jungen in die Nase. Sie freuten sich schon darauf, einen ganzen Haufen davon zu kaufen.
    Xantippus klopfte ungeduldig auf seine Pultplatte. Seine Schüler fuhren erschrocken herum. »Na, wird's bald, Mucius«, forderte Xantippus ihn auf. »Ihr wißt doch bestimmt, wo Caius sich herumtreibt. Ihr haltet doch zusammen wie die Hesperiden, die jungen Damen, die die goldenen Äpfel der Göttin Hera bewachen.«
    Die Jungen kicherten. Sie waren geschmeichelt, daß Xantippus sie mit den sagenhaften Nymphen verglich.
    Mucius stand auf. Er war der älteste und der Wortführer seiner Kameraden. »Ich schwöre beim Fluß der Unterwelt, Meister Xanthos, wir haben nicht den leisesten Schimmer einer Ahnung, warum Caius fehlt. Ich kann mir nur denken, daß er krank ist. Vielleicht hat er Heuschnupfen.« Mucius versuchte krampfhaft, Caius irgendwie herauszureden.
    »Verzapf nicht solch einen hochgradigen Blödsinn, Mucius. Erstens ist die Heuernte längst vorbei, wir haben jetzt schon Anfang Oktober, und zweitens weißt du genauso gut wie ich: wenn einer von euch krank ist, kommt frühmorgens ein Sklave mit einem Entschuldigungsschreiben. Ich habe das seinerzeit mit euren Eltern fest vereinbart.«
    »Der Sklave ist unterwegs von betrunkenen Gladiatoren überfallen worden«, rief Antonius. »Sie haben ihn in den Tiber geworfen, und er ist ertrunken. Der Sklave kann nämlich nicht schwimmen, er stammt aus der Wüste Sahara.«
    »Schweig!« herrschte Xantippus ihn an. Antonius hatte immer die ausgefallensten Ideen. Räuber, Gespenster und ähnliche Ungeheuer waren sein Lieblingsthema.
    »Wer von euch hat zuletzt mit Caius gesprochen?« fragte Xantippus.
    Julius meldete sich. »Wir trafen uns vorgestern, kurz vor Mitternacht, auf dem Minervaplatz«, erzählte er. »Caius war noch ein bißchen verschlafen, aber so gesund wie die drei Grazien Aglia, Euphrosine und Thalia und so vergnügt wie Bacchus in einem Weinkeller.«
    »Verschone uns mit deinen geschmacklosen Vergleichen«, brummte Xantippus. »Hm, darf ich fragen, was ihr um Mitternacht auf der Straße zu suchen habt? Rom ist im Dunkeln gefährlicher als die Urwälder von Sibirien.«
    »Stimmt, es wimmelt nur so von Verbrechern«, warf Antonius ein.
    »Wir hatten unsere persönlichen Sklaven mit brennenden Fackeln bei uns, Meister Xanthos«, fuhr Julius fort. »Und jeder von uns trug einen Dolch in einer Scheide unter der Tunika. Außerdem war es auch sehr neblig, das half. Auf unserem Wege zum Zirkus Maximus mußten wir durch die gefährliche Subura. Wir waren nämlich schon nachts losgezogen, um uns so früh wie möglich bei den Kassen anzustellen. Wir fürchteten, sonst keine Eintrittskarten mehr zu bekommen. Du weißt doch, Meister Xanthos, morgen ist der lang erwartete sensationelle Zweikampf zwischen dem siegreichen Wagenlenker Ben Gor, dem Champion der Grünen, und dem preisgekrönten Wagenlenker Ikarus, dem Champion der Spanier.«
    »Ich weiß nichts«, knurrte Xantippus. »Bleib gefälligst bei der Sache.« Julius war sprachlos über Xantippus' Unkenntnis der welterschütternden Ereignisse in Rom. »Und was hat das alles damit zu tun, daß Caius nicht in die Schule gekommen ist?« fuhr Xantippus grimmig fort.
    »Das war so, Meister Xanthos«, griff Mucius ein. »Als wir endlich im Morgengrauen

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