Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
an die Kassen kamen, waren alle Plätze schon ausverkauft. Wir waren enttäuscht, aber Caius spuckte vor Wut. >Dann werde ich eben anderswo Karten herbekommen<, schimpfte er. Wir lachten ihn aus. Er sei doch kein Zauberer, sagten wir. Da wurde er nur noch wütender.«
»Caius haßt es wie die Pest, wenn man ihn auslacht«, rief Flavius. »>Ihr seid Idioten<, schnaubte er. >Aber wartet nur: wer zuletzt lacht, lacht am besten.< Und ehe seine Sklaven ihn daran hindern konnten, lief er weg und verschwand spurlos im Nebel. Seitdem haben wir keinen Zipfel mehr von ihm gesehen«, fügte er hinzu.
»Doch«, rief Mucius. »Ich hab ihn zufällig gestern auf dem Forum Boarium getroffen. So um die vierte Stunde des Tages. Wir hatten doch schulfrei zu Ehren von Pales, der Göttin der Schafhirte.«
»Gepriesen sei Pales und auch die Schafe«, murmelte Publius. »Hat er irgend etwas gesagt, Mucius, warum er heute nicht in die Schule kommen wird?« fragte Xantippus. »Kein Wort, Meister Xanthos. Aber ich fiel beinah auf den Rücken vor Erstaunen, als ich ihn sah.«
»Wieso? Warum?« riefen die anderen gespannt.
»Er zog ein großes Maultier hinter sich her.«
»Ein Maultier?« riefen die Jungen verdutzt.
Auch Xantippus war verblüfft.
2. Kapitel
Wozu braucht ein Maultier eine Strickleiter?
»Ihr lieben Götter, was wollte Caius mit dem Maultier?« sagte Xantippus.
»Das hat er mir nicht verraten, Meister Xanthos«, sagte Mucius. »Er grinste nur und tat sehr geheimnisvoll. Mir fiel auf, daß er trotz des Feiertages keine Toga anhatte, sondern nur eine Tunika, und unter den Arm geklemmt trug er eine zusammengerollte Strickleiter.«
»Eine Strickleiter?« wiederholte Xantippus verdutzt, Mucius nickte bejahend. »Ich wurde mißtrauisch und fragte ihn, was er mit der Strickleiter vorhabe. Die sei für das Maultier, sagte er.« »Da soll mich doch ein Drache beißen«, rief Antonius. »Wozu braucht ein Maultier eine Strickleiter?«
»Das wollte ich selbstverständlich auch wissen«, fuhr Mucius fort. »Er erzählte mir, er hätte das Maultier für zehn Sesterzen im Reitsaal des Vincelli an der Ämiliusbrücke gemietet, dann hätte er nicht mehr genug Geld gehabt, sich auch noch einen Sattel zu leisten. Darum hätte er sich auf dem Trödelmarkt in der Subura die billige Strickleiter gekauft. >Ohne Sattel und Steigbügel komm ich nur mit der Strickleiter auf das dumme Vieh rauf<, behauptete er.«
Die Jungen lachten unbändig.
»Echt Caius«, prustete Julius.
Nur Rufus lachte nicht. »Ihr habt gut lachen«, protestierte er. »Caius ist gar nicht so dumm, wie ihr glaubt. Versuch's doch mal, ohne Sattel und Steigbügel auf ein Maultier zu klettern.«
»Na ja, es ist mit Schwierigkeiten verknüpft«, gestand Julius.
Sogar Publius, der sich gern über alles lustig machte, gab zu, daß die Sache mit der Strickleiter ein unerwarteter Geistesblitz von Caius gewesen sei.
Xantippus kicherte plötzlich. »Ihr denkt mal wieder nicht logisch«, sagte er schmunzelnd. »Caius ist noch immer derselbe Dummkopf wie eh und je. Wenn Caius nämlich die Strickleiter über den Rücken des Maultiers wirft und hinaufsteigt, rutscht sie herunter, weil sie auf dem glatten Fell keinen Halt hat, und Caius setzt sich mit einem Knall auf seinen Allerwertesten.«
Die Jungen kugelten sich vor Lachen.
»Ein Jammer, daß ich nicht dabei war«, heulte Antonius.
»Ruhe!« kommandierte Xantippus. Die Jungen verstummten. Er drehte sich nach der großen Wasseruhr um, die hinter ihm auf einem Sockel stand. »Es ist jetzt die sechste Stunde des Tages; ihr könnt eure Mittagspause machen«, verkündete er huldreich. »Ich gebe euch heute ausnahmsweise zwei Stunden frei. Ich muß die Zeit benützen, um meine Steuererklärung auszufüllen, und das ist so verzwickt wie eine Gleichung mit drei Unbekannten.«
Die Jungen sprangen erfreut auf. »Vielen Dank, Meister Xanthos«, riefen sie im Chor und wollten hinausrennen.
»Wartet noch!« donnerte Xantippus. »Solltet ihr Caius zufällig sehen, dann bestellt ihm von mir: wenn er morgen auch wieder nicht in die Schule kommt, bin ich leider gezwungen, seinem Vater einen Brief zu schreiben.«
Mucius erschrak. Wenn Xantippus seine Drohung wahr machte, ging es Caius schlecht. Sein Vater, der Senator Vinicius, war noch viel strenger als Xantippus. »Entschuldige, Meister Xanthos«, sagte er, »vielleicht kann Caius nichts dafür, daß er fehlt.«
»Er ist von einem bösen Geist besessen«, behauptete Antonius
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