Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
ein Opfer zu bringen.«
Mucius ließ sich nicht einschüchtern. Er klopfte aufs neue gegen die Tür. Sie ging plötzlich langsam auf, und der Türhüter lugte vorsichtig durch den Spalt. »Ach, ihr seid's, junge Herren«, sagte er. »Wenn ich euch raten darf, laßt euch lieber nicht blicken hier.«
»Was fällt dir ein«, sagte Mucius. »Wir müssen sofort Claudia sprechen.«
• Die junge Herrin empfängt heute niemanden. Ich dürfte selbst Jupiter nicht hereinlassen. Kommt morgen wieder.«
»Wir denken nicht daran«, sagte Mucius erzürnt. »Wir bringen eine wichtige Botschaft für Claudia.«
»Von wem?« fragte der Türhüter mißtrauisch.
»Von ihrem Bruder«, erfand Mucius rasch.
Der Türhüter seufzte tief. »Dann müßt ihr aus dem Hades kommen«, sagte er.
Mucius war verwirrt. »Aus dem Hades? Wieso? Was meinst du damit?« »Caius ist tot«, sagte der Türhüter. »To . . . tot?« stotterte Mucius, wie vom Donner gerührt. »Tot wie eine Mumie. Er wird gerade beerdigt«, sagte der Türhüter.
Und ehe Mucius noch etwas fragen konnte, schlug er ihm die Tür vor der Nase zu.
4. Kapitel
Ein geheimnisvolles Päckchen
Die Jungen rannten, so rasch sie nur konnten, in ihre Schule zurück, um Xantippus die Schreckensnachricht von Caius' Tod zu bringen. Sie stürmten in sein Arbeitszimmer hinein, wie die Babylonier in den heiligen Tempel von Jerusalem.
Xantippus saß an einem Schreibtisch vor einem Abakus, dessen Zählkugeln er flink hin und her schob. Als seine Schüler so ungestüm hereinplatzten, schob er die Rechenmaschine wütend beiseite. »Habt ihr keinen Respekt mehr im Leibe?« donnerte er. »Könnt ihr denn nicht anklopfen? Euer Benehmen verstößt auf das abschreckendste gegen die elementarsten Regeln von Anstand und Sitte.«
»Caius ist tot«, stieß Mucius hervor.
Xantippus erbleichte. »Was? Caius ist tot?« wiederholte er wie vor den Kopf geschlagen. »So tot wie eine Mumie«, sagte Antonius dumpf. »Wer hat gesagt, daß Caius tot ist?« »Der Türhüter bei Vinicius«, sagte Julius. »Bei der Gnade der Götter, was hat er gesagt, woran ist Caius so plötzlich gestorben?«
»Wir sind gar nicht dazu gekommen, ihn danach zu fragen, Meister Xanthos«, erzählte Mucius. »Der Türhüter ließ uns nicht einmal ins Haus. Er sagte nur, daß Caius gerade beerdigt wird, dann knallte er auch schon die Tür zu.«
Xantippus starrte verstört in sein Tintenfaß. »Ich kann es nicht fassen, daß Caius tot sein soll«, murmelte er.
»Vielleicht ist er deswegen nicht in die Schule gekommen«, sagte Flavius tröstend.
»Sehr geistreich«, spöttelte Publius.
»Aber er kann erst gestern gestorben sein«, sagte Mucius, »ich hab ihn doch gestern noch mit dem Maultier und der Strickleiter auf dem Forum Boarium getroffen.«
»Er ist mit dem Maultier verunglückt«, rief Rufus bestürzt. »Oder mit der Strickleiter.« »Es kann ihm alles mögliche zugestoßen sein«, sagte Julius weise. »Aber warum wird er so rasch beerdigt? Da stimmt etwas nicht.«
»Ich weiß«, rief Antonius mit leuchtenden Augen. »Die Eintrittskarten -! Erinnert ihr euch nicht, er hat doch geprahlt, er wüßte, wo er Eintrittskarten kriegen könnte. Das ist ihm aber nicht gelungen. Und aus Angst, sich vor uns zu blamieren, hat er sie irgendwo gestohlen.«
»Daran ist noch niemand gestorben, du Schafskopf«, rief Publius.
»Ja, wenn du nicht erwischt wirst«, erwiderte Antonius erhitzt. »Caius ist aber dabei von der Polizei überrascht worden. Und ihr wißt doch, Diebe werden sofort hingerichtet. Sie werden von dem Tarpejischen Fels heruntergeworfen und ihre Leichen auf den Steintreppen des Kapitols zur Schau gestellt.«
»Du hast doch gehört: Caius wird gerade beerdigt«, unterbrach Julius ihn. »Jedes Kind weiß, daß Verbrecher nicht beerdigt werden dürfen. Sie werden einfach in den Tiber geschmissen.«
Antonius gab nicht so rasch auf. »Vinicius hat ihn nachts heimlich herausgefischt und läßt ihn doch beerdigen.« Xantippus hob beide Hände beschwörend hoch. »Jetzt aber endlich Schluß! Ich verlange sofortiges Stillschweigen.«
Die Jungen gehorchten widerstrebend.
»Bitte, setzt euch«, sagte Xantippus etwas freundlicher.
Mucius und Julius plumpsten auf sein Bett, das in der Ecke stand; Publius und Rufus ließen sich auf der Truhe an der Wand nieder, und Antonius warf sich der Länge nach in den bequemen Sessel unter der Büste von Archimedes. Flavius fand keine Sitzgelegenheit mehr und setzte sich auf den
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