Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
natürlich an Rufus.
„Unser Herr hat einen großen Sieg errungen", berichtete Rompus atemlos. „Als ich über das Forum kam, wurde gerade die neuste Ausgabe der Zeitung ausgehängt. Unser Herr hat die aufständischen Gallier vernichtend geschlagen; es herrscht großer Jubel in der Stadt."
Die Jungen waren begeistert, und die Sklavinnen beglückwünschten Livia. „Nun wird alles gut werden, Herrin!" riefen sie.
„Rufus wird sofort freigelassen werden", sagte Mucius strahlend.
„Rufus freigelassen werden?" fragte Rompus verständnislos. Er wußte noch nichts von Rufus' Verhaftung. Livia freute sich sehr über den Sieg ihres Mannes, aber sie war doch enttäuscht, daß die Nachricht sich nicht auf Rufus bezog.
„Ich fürchte, nein", sagte sie zu Mucius; sie wollte noch mehr sagen, besann sich aber und schickte die Sklavinnen hinaus. Nur Rompus durfte bleiben. Dann setzte sie sich, winkte die Jungen zu sich heran und sagte leise: „Der Kaiser ist eifersüchtig auf meinen Mann. Mein Mann wird von seinen Legionen geliebt. Ihr wißt, daß der Kaiser sich als Gott verehren läßt, und er duldet keine andern Götter neben sich. Der Stadtpräfekt ist sehr ehrgeizig und wird Rufus nun erst recht hart bestrafen, um sich beim Kaiser beliebt zu machen."
Die Jungen nickten verständnisvoll. Sie fühlten sich geehrt, daß Livia ihnen solche Geheimnisse anvertraute, aber ein bißchen fürchteten sie sich doch, denn es war sehr gefährlich, abfällig über den Kaiser zu reden, und Flavius schaute sich ängstlich um, ob auch niemand lauschte.
Nun konnte Rompus sich nicht mehr beherrschen und fragte furchterfüllt: „Was ist mit Rufus, Herrin?"
„Rufus ist im Gefängnis", sagte Livia.
Rompus erbleichte. „Im Gefängnis?" stieß er entsetzt hervor.
Livia erzählte ihm, was vorgefallen war, und fragte ihn streng:
„Wo war Rufus heute nacht? Warum sind seine Sachen völlig durchnäßt?"
Rompus sank vor ihr in die Knie und stammelte: „O Herrin, es ist alles meine Schuld! Laß mich in Ketten legen! Ich hätte Rufus rechtzeitig daran hindern müssen, auszurücken ... "
„Er war also doch fort!" murmelte Livia. „Wo ist Rufus gewesen? Warum ist er ausgerückt?"
Rompus sprang auf und blickte seine Herrin reuevoll an. „Rufus war gestern abend schon weg, als ich ihn von der Schule abholen wollte", sagte er. „Die jungen Herren hatten mir gesagt, daß er sich nicht wohl gefühlt habe, und deswegen nach Hause gegangen sei."
„Das haben wir nur gesagt, weil wir Rufus nicht verpetzen wollten", sagte Flavius. „Ich lief nach Hause", fuhr Rompus fort, „aber Rufus war noch nicht da. Er kam erst eine halbe Stunde später." „Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast es mir gemeldet?" fragte Livia.
„Du warst krank, Herrin. Es war uns streng verboten worden, dich zu stören", erwiderte Rompus.
„Warum ist er zu spät gekommen?" fragte Livia.
„Das hat er mir nicht gesagt, Herrin", sagte Rompus. „Er sah sehr niedergeschlagen aus, antwortete auf meine Fragen nicht und ging gleich in sein Zimmer. Ich war beunruhigt und beobachtete ihn durch einen Spalt im Vorhang. Ich wunderte mich, daß er seinen Mantel nicht auszog, denn das Essen stand schon für ihn bereit. Er nahm Zündstein und Eisen und steckte seine Laterne an. Mir fiel dabei auf, daß es nicht seine eigene war."
„Es war meine", warf Mucius ein.
„Dann leerte er seine Sparbüchse", fuhr Rompus fort, „und schüttelte das Geld in ein Säckchen. Mir wurde allmählich klar, daß er ausrücken wollte, aber ich stellte ihn nicht gleich zur Rede, weil ich neugierig war, wie er es bewerkstelligen würde. Der alte Titus hätte ihn bestimmt so spät nicht mehr rausgelassen; die Fenster sind viel zu klein, und über die Gartenmauer kann er auch nicht. Ich war entschlossen, hinter seine Schliche zu kommen, und versteckte mich. Dodh das war eine große Dummheit von mir; ich hätte ihn lieber erst gar nicht aus seinem Zimmer lassen sollen. Er kam heraus, schlich durch die Wohnhalle in den Garten, und ich folgte ihm heimlich. Im Garten lief er rasch über den Rasen auf die Taxushecke zu, sprang hinüber und war plötzlich verschwunden. Da bekam ich Angst, rannte hin, aber es war zu spät. Ich entdeckte erschrocken, daß in der Mauer ein Loch ist, von dem wir bisher nichts wußten, weil es von außen mit Efeu überwachsen ist und von innen durch die Taxushecke verdeckt wird. Das Loch war nicht so groß, daß ich mich hätte hindurchzwängen können; ich konnte
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