Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
macht sich große Sorgen um seinen Vater. Ich kann verstehen, daß er auf Caius so wütend geworden ist. Aber deswegen wird er nicht gleich eine Tempelschändung begehen. Es gibt doch genug andere Wände auf dem Minervaplatz."
„Ich hätte eine sehr gute Wand dafür gewußt", sagte Antonius.
„Ich verstehe nur eines nicht", sagte Livia. „Ihr habt mir erzählt, daß der Senator Rufus sprechen will. Ist er schon beim Stadtpräfekten gewesen oder nicht?"
„Nein", sagte Mucius stolz. „Das haben wir verhindert." „Aber irgendwer muß Rufus doch angezeigt haben", sagte Livia, „sonst wäre er nicht verhaftet worden!"
Die Jungen waren verblüfft. Livia hatte recht. Irgend jemand mußte Rufus angezeigt haben. Aber wer?
„Außer uns weiß niemand, daß es Rufus' Handschrift ist", sagte Julius grübelnd. „Das heißt, außer uns, dem Senator, Claudia und Caius."
„Und Scribonus", sagte Mucius. „Aber da war Rufus schon verhaftet."
„Vielleicht hat Caius ihn angezeigt", sagte Publius.
„Caius?" riefen die andern erstaunt.
„Warum nicht?" sagte Publius. „Aus Wut."
„Dummes Zeug", sagte Julius. „Caius wußte, daß sein Vater Rufus anzeigen will. Was Besseres konnte er sich nicht wünschen, als daß sein Vater, der berühmte Senator, selber zum Stadtpräfekten geht. Außerdem wird der Präfekt niemand auf die Anzeige eines Jungen hin verhaften lassen."
Das leuchtete den andern ein.
„Vielleicht war es Vinicius' Sekretär oder der alteHerodus, Caius' Erzieher", sagte Flavius. „Sie wissen auch, daß Rufus verdächtigt ist."
Doch Julius wußte auch darauf eine Antwort. „Sie sind Sklaven", sagte er, „und Sklaven dürfen gegen einen römischen Bürger nicht aussagen. Sie hätten es auch nie gewagt, ihrem Herrn zuvorzukommen."
„Aber irgendeiner muß es doch gewesen sein", rief Mucius ratlos. „Ganz einfach: Es hat ihn jemand dabei beobachtet", sagte Publius gelassen. „Wer hat wen beobachtet?" fragte Julius und zwinkerte Publius verzweifelt zu, daß er den Mund halten solle.
Aber Publius verstand es nicht und sagte: „Jemand hat gesehen, wie Rufus,Caius ist ein Dummkopf' an die Tempelwand geschrieben hat."
Livia blickte ihn erschrocken an. „Ihr glaubt also auch, daß Rufus es gewesen ist?" fragte sie ängstlich. Publius verstummte verlegen und schaute zu Boden. Auch die andern vermieden es, Livia in die Augen zu blicken.
„Ihr irrt euch", sagte Livia fest. „Mein Sohn hat geschworen, daß er es nicht gewesen ist. Er hat mich noch niemals angelogen." Aber sie war doch etwas unsicher geworden, denn sie drehte sich nach ihren Sklavinnen um und fragte: „Wann ist Rufus gestern nach Hause gekommen?"
„Wir wissen es nicht", sagte eine, und eine andere rief: „Rompus muß es wissen, Herrin." Livia wandte sich wieder an die Jungen. „Hat Rompus denn Rufus gestern abend nicht von der Schule geholt?" fragte sie. „Rufus war schon weg", sagte Mucius. „Rompus ist rasch nach Hause gelaufen. Er hoffte, Rufus unterwegs einzuholen."
„Ich habe Rompus heute noch nicht gesprochen", sagte Livia. „Ich war krank. Rompus ist leider jetzt nicht hier. Er ist zum Arzt gegangen, um Heilkräuter für mich zu holen. Der Arzt wohnt auf der andern Seite des Tibers, und Rompus kann nicht vor drei Stunden zurück sein. So lange müssen wir warten. Es wäre lieb von euch, wenn ihr nachher wiederkämt. Ich brauche eure Hilfe, denn ich bin machtlos. Ich habe zwar vorhin sofort einen Eilkurier an meinen Mann geschickt, aber er kann erst in fünf Tagen in Gallien sein, vorausgesetzt, daß er unterwegs genügend frische Pferde zum Wechseln findet. Das wären hin und zurück im günstigen Falle zehn Tage. Inzwischen kann das Schlimmste passieren. Wir müssen so rasch wie möglich den wahren Schuldigen finden, und dazu brauche ich euch. Ihr werdet Rufus nicht im Stich lassen, nicht wahr?"
Die Jungen waren sehr geschmeichelt und nickten zustimmend, aber im Grunde genommen wußten sie nicht recht, wie sie Livia helfen konnten; sie zweifelten nicht mehr daran, daß Rufus der wahre Schuldige war.
Doch Livia klammerte sich an eine letzte Hoffnung. „Rufus kann nicht zu spät nach Hause gekommen sein", sagte sie, „sonst hätte Rompus es mir gemeldet."
Die Jungen blickten sie fragend an.
„Ihr habt mir erzählt, daß die Tempelschändung nur zwischen der fünften und sechsten Stunde der Nacht geschehen sein kann", sagte sie. „Stimmt das?"
„Ja", sagte Julius. „Die Nachtpolizisten haben beschworen, daß
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