Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Winkel seiner Tunika hervor, putzte sich umständlich die Nase, steckte das Tuch ein, schaute noch einmal auf die Schreibtafel und dann auf die Wand und sagte schließlich: „Die Schrift an der Wand ist echt."
9. Kapitel
Die Kleider sind naß, und die Sparbüchse ist leer
Vinicius blickte die Jungen empört an und sagte drohend: „Bringt Rufus sofort zu mir! Ich muß mit ihm sprechen." Dann bedankte er sich bei Scribonus, verabschiedete sich von ihm, nahm Claudia bei der Hand und zog sie mit sich ins Haus.
Scribonus drückte Julius die Schreibtafel in die Hand und ging in der Richtung zur Suburagasse davon. Die Jungen schauten ihm mit giftigen Blicken nach.
„Der hatte uns gerade noch gefehlt", sagte Publius. „Rufus hat also doch gelogen", murmelte Mucius. „Und ich hätte schwören können, daß er die Wahrheit sagt."
„Was nützt das alles", sagte Julius. „Die Würfel sind gefallen. Scribonus hat uns den Todesstreich versetzt. Ich sehe für Rufus düster in die Zukunft."
„Vielleicht kann er doch noch fliehen", sagte Flavius. „Dazu ist es zu spät", sagte Mucius. „Er will doch auch nicht. Wir müssen ihn holen und zu Vinicius bringen."
Diesmal hatten sie es nicht so eilig; sie gingen langsam, und es dauerte mindestens eine Viertelstunde, bis sie wieder vor dem Haus von Praetonius ankamen.
Der alte, weißbärtige Sklave sah bleich und verstört aus, als er ihnen die Tür öffnete. „Es ist gut, daß ihr kommt", sagte er erregt. „Meine Herrin hat schon nach euch gefragt. Geht rasch hin « in! Es ist ein Unglück geschehen."
Die Jungen bekamen ein unangenehmes Gefühl um die Magengegend. Sie waren so verwirrt, daß sie vergaßen, ihre Sandalen auszuziehen, wie es sich gehörte.
Sie traten in die Wohnhalle und blieben unschlüssig am Eingang stehen.
Die Sonnenstrahlen fielen durch die Dachöffnung auf den Hausaltar in der Ecke, der mit den ersten Frühlingsblumen geschmückt war. Auf einer Couch lag eine Katze und schlief. Das Ganze machte einen sehr friedlichen Eindruck, und die Jungen glaubten schon, daß der Alte nur gescherzt hatte.
Doch dann erblickten sie Livia, Rufus' Mutter. Sie saß regungslos in einem Sessel dicht an der Wand, an der die Waffensammlung ihres Mannes angebracht war. Sie weinte, und ihre Lieblingssklavinnen standen mit bestürzten Mienen um sie herum. Als sie die Jungen erblickte, sprang sie auf, trocknete sich die Tränen mit einem Taschentuch und ging ihnen rasch entgegen.
„Rufus ist verhaftet worden", sagte sie mühsam beherrscht.
Die Jungen waren entsetzt.
„Ihr müßt mir helfen", fuhr Livia erregt fort. „Ihr seid doch seine Freunde, nicht wahr? Ihr wißt bestimmt, daß er unschuldig ist. Er soll eine Tempelschändung begangen haben. Ich kann es nicht glauben. Mein Sohn ist kein Verbrecher. Vor ungefähr einer halben Stunde kam ein Offizier mit zwei Soldaten und verhaftete ihn, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Rufus mußte in seinem Zimmer gehört haben, daß man von ihm sprach, denn er kam herein, nur in seine Bettdecke gehüllt, und fragte: ,Was ist los, Mutter?' Der Offizier legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: ,Du hast unsern Kaiser beleidigt! Du bist verhaftet!' Rufus riß sich los, lief zu mir und rief: ,Ich schwöre, ich bin es nicht gewesen, Mutter!' Er war so bleich wie meine Tunika hier. Er wollte noch mehr sagen, aber der Offizier schrie ihn wütend an, daß er den Mund halten solle, und bedrohte ihn sogar mit seinem Schwert. Die beiden Soldaten packten ihn und führten ihn ab. Sie erlaubten nicht einmal, daß er sich etwas anzog. Ich war wie von Sinnen und wollte hinterherlaufen, aber meine Sklavinnen hielten mich zurück, weil sie fürchteten, daß der Offizier mich auch verhaften würde." Livia brach ab. „Mein armer Junge", sagte sie schluchzend. „Es kann nicht wahr sein!"
Die Jungen starrten verlegen zu Boden. Schließlich murmelte Mucius schwach: „Wir haben es auch nicht geglaubt."
Livia schaute ihn dankbar an. „Ich habe gehört, daß ihr heute früh hiergewesen seid, kurz bevor Rufus verhaftet wurde. Warum ist Rufus nicht in der Schule gewesen? Was hat das alles zu bedeuten?"
Mucius erzählte, und die andern mischten sich ein, wenn er etwas vergaß.
Livia hörte ihnen erstaunt zu. Dann sagte sie bekümmert: „Rufus hat sich sehr töricht benommen in der Schule. Aber Caius hat unrecht getan. Er weiß doch, wie sehr Rufus seinen Vater liebt. Rufus ist seit dieser unglückseligen verlorenen Schlacht wie verwandelt. Er
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