Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
unsterblichen Göttern, was soll ich mit einem Sklaven! Ich muß mich den geschlagenen Tag mit euch herumärgern, dann bin ich froh, wenn ich abends endlich allein bin und meine Ruhe habe. Oder wollt ihr mir vielleicht einen Streich spielen? Wehe euch!" drohte er und schielte mißtrauisch zu dem jungen Sklaven hinüber, der regungslos im Hintergrund auf einer Bank hockte.
Die Jungen waren enttäuscht. Sie hatten geglaubt, Xantippus würde sich über einen Sklaven freuen, statt dessen schnauzte er sie an. Das war also der Dank dafür, daß sie monatelang ihr Taschengeld zusammengespart hatten, um ihrem Lehrer etwas besonders Schönes zu seinem fünfzigsten Geburtstag zu schenken!
Xantippus hieß eigentlich Xanthos. Er war ein berühmter Mathematiker und ein begehrter Erzieher von Söhnen reicher römischer Patrizier. Er war teuer und wählerisch, deswegen hatte er zur Zeit nur sieben Schüler. Es waren die Knaben Mucius, Caius, Publius, Julius, Flavius, Rufus und Antonius. Sie wohnten alle auf dem Esquilinus, einem der sieben Hügel Roms, wo viele reiche Senatoren ihre luxuriösen Villen hatten. Die Jungen hatten Xanthos den Spitznamen Xantippus gegeben; er erinnerte sie nur zu sehr an Xantippe, die Frau des griechischen Philosophen Sokrates, die ihrem Mann mit ihrem ewigen Gekeife das Leben sauer gemacht haben soll.
Xantippus machte seinen Schülern das Leben sauer. Er war streng, brummig und selten zufrieden. Heute zeigte er sich wieder mal von seiner schwärzesten Seite. Die Jungen waren so stolz auf ihre Idee mit dem Sklaven gewesen, daß sie ihn gleich frühmorgens in die Schule mitgebracht hatten. Sie hatten ihm sogar eine neue Tunika gekauft. Der Unterricht begann schon vor Sonnenaufgang, und jetzt saßen sie müde und verstört auf ihren Plätzen und wußten nicht, was sie sagen sollten.
Draußen dämmerte es schwach. Die Straßen waren noch menschenleer. Nur ein paar Karren, von Maultieren gezogen und hoch mit Zitronen und Apfelsinen beladen, polterten über das holprige Kopfsteinpflaster in Richtung der Markthallen am Tiberhafen.
Irgendwo in der Subura, dem Stadtteil der armen Bevölkerung, krähte ein Hahn. Von weit her, vom Viminalis, dem Hügel, hinter dem die Kasernen der Prätorianer lagen, schmetterte herausfordernd der militärische Weckruf einer Trompete. Dann wurde es wieder still. Nur der Wind rauschte in den Zypressen auf dem Marsfeld.
„Mucius, wird's bald!" befahl Xantippus. „Willst du mir gefälligst unverzüglich erklären, was dieser grobe Unfug mit dem Sklaven zu bedeuten hat?"
Mucius war Klassenerster und für Ruhe und Ordnung in der Schule verantwortlich.
„Die Sache ist die, Meister Xanthos", begann er vorsichtig. „Wir hatten uns ausgeknobelt, ich meine, wir waren fest davon überzeugt, daß du einen Sklaven gut brauchen könntest. Du hast doch soviel zu tun, und dann arbeitest du in deiner freien Zeit auch noch an deinem bedeutenden Werk über die spitzen Winkel im stumpfwinkligen Dreieck. Wir dachten, der Sklave könnte einkaufen gehen, bei dir aufräumen, nachts im Schulzimmer aufpassen, damit du nicht wieder überfallen wirst wie im vorigen Jahr, und vielleicht sogar für dich kochen."
„Vielleicht schreibt er auch meine Mathematikbücher", sagte Xantippus spitz. „Nein, mein Lieber, besten Dank. Mit einem Sklaven hätte ich nichts als Scherereien. Ich müßte aufs Tabularium gehen, um den gesetzlich vorgeschriebenen Kaufvertrag abzuschließen, was eine beträchtliche Gebühr kostet. Dann müßte ich zu einem andern Amt gehen, um ihm mein persönliches Siegel einbrennen zu lassen, was wieder eine Gebühr kostet. Obendrein muß man jährlich eine hohe Steuer für einen Sklaven zahlen. Sklaven sind etwas für reiche Leute. Ich kann mein bißchen Geld besser verwenden."
Antonius meldete sich. „Ich war auch von Anfang an dagegen, dir einen Sklaven zu schenken, Meister Xanthos", rief er strahlend. „Na, da höre ich doch mal ausnahmsweise etwas Vernünftiges von dir, Antonius", sagte Xantippus. „Nicht wahr?" fuhr Antonius begeistert fort. „Ich wollte dir nämlich einen Löwen schenken."
„Wie? Was?" fragte Xantippus unheilverkündend.
Doch das störte Antonius nicht. Wenn Antonius erst mal in Schwung kam, war er nicht aufzuhalten. Er hatte immer die verrücktesten Einfälle. Er sah überall Gespenster und Ungeheuer. Außerdem behauptete er, daß es in Rom von Räubern und Mördern nur so wimmele. Damit hatte er allerdings nicht ganz unrecht; es liefen viele
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