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Calendar Girl

Titel: Calendar Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Hille
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nicht geben kann. Warum lässt er mich nicht in Ruhe?
    Ich winde mich in seiner Umarmung. »Lass mich los«, sage ich so ruhig wie möglich, obwohl mein Herz bis in meine Kehle schlägt. »Fo, lass mich los, bitte.«
    Er tut es und steht mit hängenden Armen vor mir. Groß und massiv. Dunkel. Drohend. Die Panik schnürt mir die Kehle zu. Ich gehe rückwärts, langsam, bis ich den Türrahmen im Rücken spüre. »Ich möchte nicht weitermachen«, sage ich. »Fokko, sei mir nicht böse. Ich breche das jetzt ab. Du hast genug Fotos von mir, da ist sicher was Passendes dabei. Such etwas aus. Ich vertraue dir.« Damit bin ich durch die Tür und hetze die Treppe hinauf wie von bösen Geistern gejagt. In meinem Zimmer schließe ich die Tür ab und gehe vor meinem Bett in die Knie, weil meine Beine mich nicht mehr tragen wollen. Eine solche Panikattacke hatte ich schon Jahre nicht mehr. Ich liege auf dem Boden, unfähig, mich zu bewegen, und meine Glieder krampfen sich zusammen, zucken, zittern, und meine Lunge weigert sich, die Luft wieder abzugeben, die ich einatme. Mein Blickfeld verengt sich bis auf einen winzigen Fokus und mein Bewusstsein, das laut kreischend in meinem Kopf herumspringt, schaltet für einige barmherzige Momente den Saft ab.

21
    Ich liege auf dem Bett und starre an die Decke. Das Licht der untergehenden Sonne malt warme Lichter auf den weißen Rauputz. Ich höre den schmelzenden Gesang einer Amsel, das über allem liegende dumpfe Brummen des Verkehrs, Stimmen und Gelächter, Musik, Schritte, Fahrradklingeln und das Schreien eines Babys. Sommergeräusche. Die Normalität des Alltags vor meinem Fenster besänftigt meine Nerven, packt die Angst in dicke Watte, vertreibt die dunklen Träume.
    Ich drehe mich mit einem Seufzer auf die Seite und blicke auf meinen Wecker. Vielleicht sollte ich aufstehen, etwas trinken und mir die Zähne putzen und mich am Rheinufer ein bisschen von den Inlineskatern umfahren lassen, die dort um diese Zeit immer um ihre Hütchen herumkurven. Dann könnte ich am alten Hafenbecken einen der Strandkörbe entern, einen bunten Cocktail trinken und Passanten beobachten. Wenn es dunkel wird, gehe ich irgendwo einen Happen essen und vielleicht noch ins Kino. Das klingt doch nach einem hübschen Abendprogramm.
    Ich komme gerade aus der Küche, als es an der Tür klingelt. Fo scheint nicht da zu sein, jedenfalls höre ich ihn nicht. Ich gehe also öffnen und blicke in Yoshis verblüfftes Gesicht. »Du?«, sagen wir im Chor.
    Er hält wie einen Ausweis den aktuellen »Düsseldorfer« hoch. »Ich - ich habe dein Foto gesehen«, stottert er. »Der Fotograf ist in unserer Kartei. Ich wollte ihn fragen, ob er mir deine Telefonnummer gibt.«
    Ich bin sprachlos. »Du wolltest Fo fragen, ob er ...« Bei dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn Fokko ihm die Tür geöffnet hätte, bekomme ich einen Lachflash. Er sieht mich fragend und ein wenig gekränkt an.
    »Yoshi«, keuche ich und halte mich an der Tür fest, »Yoshi, du willst nicht wissen, warum ich lache. Geh einfach. Geh schnell, bevor ...« Zu spät.
    »Wer ist da?«, höre ich Fokkos tiefe Stimme rufen. Wenig später poltern seine Schritte die Treppe hinauf. Ich mache Yoshi heftige Zeichen, dass er verschwinden soll, aber er glotzt mich nur kuhäugig an und bleibt wie angenagelt stehen. »Nichts, niemand«, rufe ich laut. »Jemand von der Marktforschung, bleib unten ... verdammt!«
    Fokko steht in der Diele und starrt Yoshi an und Yoshi wird blass und macht einen Schritt zurück. Ich sehe, wie sich seine Lippen bewegen und weiß, dass er gerade lautlos auf Japanisch flucht.
    »Ich hab ihm gesagt, er soll abhauen«, beklage ich mich beim Schicksal. »Fo, alles ist gut. Er hat mir nichts getan. Yoshi, GEH!«
    Er steht immer noch da und blickt von mir zu Fokko und wieder zurück. »Wohnst du etwa bei ihm?«, fragt er anklagend.
    Ich spüre Fokko in meinem Rücken, er kommt langsam näher. »Fo, bleib weg«, sage ich scharf. »Ich vertrage jetzt keinen Streit. Seid brav, alle beide. Bitte.«
    »Was will er von dir?« Fokkos schwere Hand landet auf meiner Schulter, besitzergreifend. Ich dulde die Geste widerwillig.
    »Du lebst mit ihm zusammen?«, formuliert Yoshi seine Frage genauer. Er zieht die Brauen zusammen und sieht mich verletzt an.
    »Was geht dich das an?«, knurrt Fokko und schiebt mich unerbittlich beiseite. Er baut sich vor Yoshi auf, der zierlich und schmal neben seiner wuchtigen Gestalt wie ein halbwüchsiger Junge wirkt,

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