Calendar Girl
Werbung, meine Handyrechnung, ein gelber Briefumschlag ohne Absender. Ich ziehe ein Blatt Papier heraus, auf dem nur »Liebe Grüße« gedruckt steht, und eine Spielkarte, den Karo-König. Ich drehe und wende das Blatt, die Karte, schaue in den Umschlag, aber das ist es. Kein Name, kein Absender, keine Unterschrift. Ich zucke die Achseln und werfe das Zeug in den Müll. Zeit, mich für eine Trainingseinheit mit Philipp hübsch ... fertig zu machen.
Während ich mich anziehe, denke ich über Fo nach. Er ist keinen Abend mehr zu Hause, kommt, wenn überhaupt, erst mitten in der Nacht zurück und schläft noch, wenn ich aus dem Haus gehe. Was treibt er? Hat er eine Freundin ... oder mehrere? Ich halte inne und erwidere meinen Blick im Spiegel. Besorgt und argwöhnisch. Zuerst habe ich gedacht, er ist auf einer ausgiebigen Sauftour, aber dafür fehlten die Anzeichen. Er sieht, wenn ich ihm begegne, immer recht ausgeruht und fit aus. Fitter als normalerweise, wenn ich ehrlich sein soll.
Also doch eine Affäre? Mit Gudrun oder mit Evelyn? Mit Kiki? Oder hatte ich recht mit meiner Vermutung, dass er sich eine nach der anderen aus der Liste der Kalendermädchen vornimmt? Das passt so gar nicht zu ihm.
Ich sehe, wie meine Miene sich verdüstert und beginne mir die Haare zu bürsten. Es. Geht. Mich. Nichts. An.
Ich denke lieber an Philipp, das macht mir gleich bessere Laune. Er ist süß. Einfach nur hinreißend. Er ist lustig und zärtlich, leidenschaftlich und überraschend - und heute will er mir endlich das Zimmer zeigen, das ich noch nicht kenne. Er hat ein großes Geheimnis daraus gemacht, was hinter dieser Tür ist, aber ich denke, ich kann es erraten. Nachdem wir so ziemlich jedes halbwegs dafür taugliche Gerät im Fitnessraum zweckentfremdet haben, bin ich gespannt darauf, wie es weitergeht, auch wenn die eine oder andere seiner Andeutungen mich ein wenig erschreckt. Aber er wird nichts tun, womit ich nicht einverstanden bin, da bin ich mir sicher. Er ist auf seltsame Art und Weise ein richtiger, altmodischer Gentleman. Es tut gut, nachdem ich mich von Yoshi habe schlecht behandeln lassen. Yoshi mit seinen Wutanfällen und seiner Zickigkeit. Philipp ist beherrscht und ruhig, bei aller Leidenschaft immer auch kontrolliert. Älter eben. Reifer. Vielleicht sollte ich mich überhaupt nach älteren Männern umsehen. Anfang Vierzig ist ja noch nicht wirklich alt.
Ich grinse mein Spiegelbild an und entscheide mich für aufgestecktes Haar. Damit sehe ich älter aus. Reifer. Gerade passend für Philipp.
Er war erstaunlich nervös. Das war nicht sein erstes Date, Caro nicht die erste Frau, die er in sein Refugium, sein Allerheiligstes führte. Aber er ertappte sich dabei, dass er nervös auf seine Uhr blickte, sich über das Haar strich, prüfend vor dem Spiegel seine Zähne inspizierte (warum? Er wusste es selbst nicht) und den Sitz seines Hemdes kontrollierte.
Dann klingelte es und Caro stand vor ihm. Sie hatte sich auch etwas formeller gekleidet als gewöhnlich, das ließ seine Nervosität schmelzen wie die Polkappen. Er lächelte sie breit an und bat sie herein. Seine Hand ruhte leicht zwischen ihren Schulterblättern, spürte die Wärme ihrer Haut durch den dünnen Stoff der Sommerbluse. »Geht es dir gut?«, fragte er.
Sie sah zu ihm auf, die Augen leicht zusammengekniffen. »Warum fragst du?«
Er zuckte die Achseln. »Du siehst ein bisschen angeschlagen aus.«
Einen Moment lang wirkte sie ärgerlich, dann lachte sie. »Ich hab schlecht geschlafen. Aber keine Sorge, ich bin fit und zu jeder Schandtat bereit.«
»Wirklich zu jeder?«, fragte er und küsste ihren Nacken. Sie bog den Rücken durch und bot ihm ihren Mund, der so frisch und appetitlich war wie ein taubeperlter Apfel.
»Ich lasse mich überraschen«, sagte sie. Das Zittern in ihrer Stimme war kaum zu hören und ihr Blick war fest.
Er küsste sie für ihre Tapferkeit und ließ seine Hand unter ihre Bluse gleiten, umfasste ihre feste, kleine Brust und streichelte die samtige, warme Haut, küsste sie wieder. Sie schmeckte gut, so gut. Seine Erregung wuchs und mit ihr die Vorfreude auf das, was er für sie geplant hatte. »Komm«, sagte er.
Er hatte Champagner kaltgestellt. Es war eigentlich zu früh am Tag, er trank selten etwas, bevor die Sonne unterging. Aber heute war es anders. Heute wollte er etwas besiegeln und er schimpfte sich insgeheim einen sentimentalen alten Idioten. Sie war so jung, so lebendig, und es war so klar, dass sie ihn
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