Calendar Girl
Namen. Eine warme Stimme, voller Sorge. Der Krampf weicht aus meinen Gliedern, ich strecke mich mit einem zitternden Seufzer aus. Ich bin nicht mehr gefesselt. Als ich die Augen öffne, sehe in Philipps besorgtes Gesicht. »Caro«, sagt er und stößt stöhnend den Atem aus. »Caro, verdammt, hast du mir einen Schrecken eingejagt!«
Ich richte mich auf und reibe mir über die Augen. »Was ist passiert?«
Er hockt im Schneidersitz vor mir und greift nach meiner Hand. Sein Daumen fährt über meine Fingerknöchel. »Du hast auf einmal angefangen zu hyperventilieren, dann hast du regelrechte Zuckungen bekommen«, sagt er mit flacher Stimme. Der ausgestandene Schreck sitzt ihm sichtlich in den Knochen. »Ich hab gedacht, du hast einen epileptischen Anfall oder so was. Ich hab dich sofort losgeschnallt und dich festgehalten, damit du dich nicht verletzt.« Er beugt sich vor und mustert mich eindringlich. »Geht es dir gut? Sollen wir einen Arzt holen?«
Ich versuche ein Lachen und schüttele den Kopf. »Ein Glas Wasser wäre toll«, sage ich. Meine Zunge ist so trocken, dass sie fast am Gaumen klebenbleibt. Ich habe einen ekligen Geschmack im Mund. »Tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe. Ich glaube, das Gefesseltsein hat mich panisch gemacht.« Das war es nicht allein, aber ich habe nicht vor, ihm meine Lebensgeschichte zu erzählen.
Er schüttelt den Kopf und reicht mir ein Glas Wasser, das ich durstig hinunterkippe.
»Ich dachte, du hast Spaß daran«, sagt er. »Nachdem ich das hier gesehen habe ...« Er nimmt eine Fernsteuerung in der Hand und betätigt einen Knopf. Der Spiegel über mir wird dunkel, dann wieder hell. Statt meines Abbildes sehe ich Bilder - meine Bilder. Ich reiße die Augen auf. »Scheiße«, flüstere ich. »Woher hast du die?«
24
Fokko ist nicht da. In letzter Zeit ist er kaum noch zu Hause. Er übernachtet anderswo, er ist tagsüber nur kurz mal zu einer Zwischenlandung in der Wohnung, um sich zu duschen, die Kleider zu wechseln, dann ist er wieder weg.
Gerade heute hätte ich seine Gesellschaft so sehr gebraucht. Ich bin zittrig und fühle mich, als hätte mich ein Pferd getreten. Ich habe einen schrecklichen Kater. Gestern ist mir noch ein echter Filmriss passiert, das hatte ich zur Genüge während meiner schlimmen Zeit, so zwischen sechzehn und neunzehn. Ich habe mir damals versprochen, dass ich mich nie wieder so betrinken werde. Keine Drogen, kein Alkohol im Übermaß. Aber im Moment scheint mein Leben vor meinen Augen wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen. Ich fühle mich hilflos. Noch vor ein paar Monaten war alles in Ordnung, ich war stabil, habe gut geschlafen, hatte keine schlechten Gedanken und keine Angst. Aber jetzt sind sie wieder da, die Panikattacken, die Blackouts, die plötzlichen, schrecklichen Flashbacks. Genauso schlimm wie damals, und ich kann noch weniger damit umgehen.
Ich tappe durch die Küche und koche Kaffee. Dann sitze ich am Tisch, umklammere die Tasse und starre durchs Fenster. Wie bin ich gestern nach Hause gekommen? Ich kann mich nicht erinnern.
Ich höre die Haustür klappen, dann Fokkos schwere Schritte. Er kommt in die Küche, legt die Zeitung auf den Tisch und eine Brötchentüte und geht an den Kühlschrank. Irgendwo dazwischen knurrt er ein »Guten Morgen.« Ich muss den Impuls niederkämpfen, ihm um den Hals zu fallen und in Tränen auszubrechen.
»Morgen, Fo«, sage ich deshalb nur knapp und starre in meinen Kaffee.
Er hantiert herum, stellt Butter und Käse auf die Anrichte, gräbt nach Eiern und klappert mit der Pfanne. Irgendwann dreht er sich zu mir um und sagt: »Was ist los? Hat dein Adonis dir den Laufpass gegeben?«
Das klingt so unglaublich gefühllos aus seinem Mund, dass es mir die Worte verschlägt. Ich blinzele aufsteigende Tränen weg und presse die Lippen zusammen. Jetzt auch noch weinen, das würde die Demütigung komplettieren!
Er zündet das Gas an, Butter beginnt zischend zu schmelzen. Ich sehe seine Hand, die die Brötchentüte vom Tisch nimmt und trinke einen großen Schluck von meinem Kaffee, um mein Gesicht zu verbergen.
Die Tüte landet mit einem kleinen Knall wieder auf dem Tisch. Fo legt seine Hand auf meine Schulter, drückt mit der anderen mein Kinn hoch. »He, du weinst ja«, sagt er. Ich wehre seine Hand ab, stoße mit dem Ellbogen nach ihm. Er hockt sich neben mich, legt seine Arme um mich und zieht mich an sich. »Tut mir leid«, flüstert er und wiegt mich. »Ich wollte dich nur aufziehen, wusste
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