Calendar Girl
morgen gerne noch einmal mit Ihnen sprechen, wäre Ihnen vierzehn Uhr hier auf dem Präsidium recht?«
Ich schlucke kurz und trocken. Kommissar? Präsidium? Noch einmal? »Sorry«, sage ich, »hier ist nicht Tjarks. Ich bin die Mitbewohnerin.«
Kurzes Schweigen am anderen Ende. »Ich muss mich entschuldigen«, sagt die Frau dann. »Ist Herr Tjarks zu sprechen?«
»Er ist unterwegs. Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Nein, ich habe seine Mobilnummer. Danke und einen schönen Abend noch.«
Ehe ich auflege, höre ich sie fragen: »Bitte, wie war Ihr Name?« und ich stelle mich etwas verspätet vor.
Dann klemme ich meine Hände, die plötzlich zu zittern beginnen, in meine Achselhöhlen und beiße mir auf die Lippe. Was wollen die Bullen von Fo?
Ich gehe in mein Zimmer, suche mein Handy, finde es in der Sporttasche und wähle Ellis Nummer. Sie meldet sich nach dem dritten Klingeln mit erstaunter Stimme: »Caro? Bist du das wirklich?«
Ich schlucke ein ordentlich schlechtes Gewissen runter - wann hatte ich ihr das letzte Mal versprochen, sie zurückzurufen? - und sage: »Ja. Hi. Ich wollte hören, wie's dir so geht.«
»Du wolltest hören, wie es mir so geht?«
Die Skepsis in ihrer Stimme tut mir weh. »Ja«, sage ich schroff. »Aber wenn es dir gerade nicht passt ...«
»He, nicht auflegen.« Sie lacht, tief und ansteckend. »Caro, Baby, bleib schön in der Leitung. Wo bist du? Ich habe gerade Feierabend gemacht, wir könnten uns treffen.«
Ich atme aus, zitternd, erleichtert. Meine kleine Schwester. Ich habe sie vermisst, verdammt.
Wir verabreden uns in Xxorner, das liegt für uns beide auf halber Strecke. Ich ziehe mich an, packe meinen Rucksack und schnappe mir das Fahrrad - keine Lust zu laufen, kein Geld für ein Taxi.
26
Im Xxorner ist es voll und laut wie immer und die Hälfte der Gäste sind Bullen, die ihr Feierabendalt trinken. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und suche nach Elli, sehe eine winkende Hand an einem der Tische an der zur Straße hin geöffneten Fensterfront. Kluges Mädchen, dort bekommt man wenigstens Luft.
Ich drängele mich durch, wobei ich meinen Rucksack als Rammbock benutze, ernte einige böse Blicke und Bemerkungen, und als ich endlich am Tisch ankomme, nimmt Elli mich in den Schwitzkasten. Sie hatte immer schon eine recht robuste Art, mich zu umarmen, und obwohl sie anderthalb Jahre jünger ist als ich, ist sie einen guten Kopf größer und etwas breiter, das verschafft ihr einen unfairen Vorteil. Aber heute will sie nicht raufen, sondern mich abküssen, ich weiß nicht, was schlimmer ist.
Endlich sitzen wir und bieten den Gästen am Nebentisch keinen Grund mehr zu grinsen und anzügliche Bemerkungen zu machen. Elli zahlt es Ihnen zwar mit Zinsen zurück, aber ich bin nicht in Stimmung für Wortgefechte. Sie merkt das und beugt sich vor, schirmt mich vom Nebentisch ab. »Kollegen«, sagt sie mit einem Achselzucken.
Wir trinken ein Bier und reden ein bisschen über dies und das. Sie fragt mich, ob ich in letzter Zeit mal Ma angerufen habe, ich rede mich damit heraus, dass sie bei ihren Arbeitszeiten echt schwer zu erwischen wäre, sie schüttelt den Kopf. »Caro, wir haben dich alle lieb«, sagt sie sanft. »Babbo und Ma machen sich große Sorgen, ob es dir gut geht.«
»Es geht mir ausgezeichnet«, wehre ich ihre Fürsorge ab. »Elli, ich bin kein Kind mehr. Und du, wenn ich dich mal kurz daran erinnern darf, bist die Jüngere. Ich müsste dich bevormunden, nicht umgekehrt!«
»Kannst es ja mal versuchen«, erwidert sie und grinst. Natürlich weiß sie genauso gut wie ich, dass sich das längst geändert hat. Ich bin die Versagerin, die nichts auf die Reihe kriegt. Elli ist das strahlende Beispiel, was aus mir hätte werden können, wenn ich mir nur Mühe gegeben hätte. Nein, natürlich sagt das niemand laut, aber ich weiß, dass sie es insgeheim alle denken. Ich starre in mein Bier und bin schlecht gelaunt.
Elli berührt sacht meine Hand. »He, was ist los?«, fragt sie leise.
Ich reiße mich zusammen und lächle sie an. »Was gibt es Neues?«, frage ich.
Sie sieht mich noch einen Moment mit gerunzelter Stirn an, dann fährt sie mit den Fingern durch ihren schicken Kurzhaarschnitt und erzählt mir von ihren Kollegen, die nett sind, dem Chef, der ein wahres Wunder zu sein scheint, der Abteilung, der Arbeit ... ich hake an dem Punkt ein und frage sie, ob sie was mit den Spielkartenmorden zu tun hat.
Sie verstummt, als hätte ich vor versammelter Mannschaft
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