Calendar Girl
doch nicht, dass es so schlimm ist. Was ist passiert?«
Ich kann nicht sprechen, so verkrampft ist alles, meine Lippen, mein Kiefer, meine Brust, alles ist eng und klein und fest wie Beton. Ich höre mich wimmern, Tränen laufen über mein Gesicht und ich schäme mich dafür in Grund und Boden. Gerade jetzt, gerade vor Fokko!
Er hält mich einfach nur fest, brummt leise und besänftigend und streicht mir übers Haar. »Alles wird gut«, sagt er. »Alles wird gut.« Es wäre so schön, wenn ich ihm glauben könnte.
Etwas später sitze ich da und putze mir die Nase, atme noch ein wenig holperig, aber wenigstens ist der Heulanfall vorüber. Fokko macht Frühstück. Hin und wieder wirft er einen besorgten Blick über die Schulter zu mir. Mir ist das alles unglaublich peinlich. Ich ziehe die Schultern hoch, greife mir die Zeitung und gebe vor, sie zu lesen. Fo hat eine dieser grässlichen Boulevardzeitungen mitgebracht und die fette Schlagzeile auf der ersten Seite springt mich an: »Der Spielkartenmörder schlägt erneut zu!«
Ich lese den reißerisch aufgemachten Artikel zu der Schlagzeile, in dem mit viel Dramatik verschleiert wird, dass anscheinend so gut wie keine Informationen von der Polizei an die Presse gegeben wurden. In der Altstadt wurde eine Kunststudentin ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Bei ihrer Leiche wurde eine Spielkarte gefunden. Das ist es im Wesentlichen auch schon. Ich schüttele den Kopf und blättere weiter. Wahrscheinlich hat sie beim Pokern betrogen, denke ich noch und muss grinsen. Klar ist das fies, das Mädel ist tot, aber irgendwie bringt diese Revolverpresse mit ihrem Geschrei mich immer dazu, sarkastisch zu werden.
Wieso »erneut«?, denke ich und blättere noch mal zurück. Da steht es, ein magerer Absatz, der auf einen »ersten« Mord verweist und die Polizei dafür beschimpft, dass sie die Bevölkerung - sprich: die Redaktion dieses Blattes - nicht informiert, aber man habe ja glücklicherweise seine Quellen.
Ich muss lachen. Die Kripo Düsseldorf wird schäumen, dass da jemand nicht dicht gehalten hat. Ich sollte Elli mal anrufen und aushorchen. Ich sollte Elli sowieso mal wieder anrufen.
Einen Moment lang wandern meine Gedanken zu meiner kleinen Schwester. Eliana, das Nesthäkchen, Babbos ganzer Stolz.
Mir ist schwindelig und übel. Ich blättere lustlos in der Zeitung herum und lege sie dankbar beiseite, als Fo einen Teller vor meine Nase stellt und sich hinsetzt.
Ich habe Mühe, die ersten Bissen herunterzukriegen, aber dann bemerke ich, wie hungrig ich bin, und muss mich bremsen, nicht zu schlingen.
Fokko liest die Zeitung, während er isst. Ich merke, dass er mir hin und wieder einen Blick zuwirft. »Wie geht es dir?«, fragt er und blättert um.
»Gut, danke«, sage ich und schenke uns Kaffee nach. »Ich brauchte wohl nur was zu essen. Danke, dass du mich vor dem Verhungern gerettet hast. Ich habe einen Mords-Hangover.«
Er lässt die Zeitung sinken und sieht mich mit einer Mischung aus Sorge und Belustigung an. »Das ist eigentlich mein Text«, sagt er. »Brauchst du eine Kopfschmerztablette?«
Seine Fürsorge tut mir wohl. Ich verweigere dennoch die Tablette und trinke lieber noch ein großes Glas Wasser. Fokko liest mit gerunzelter Stirn den Artikel, den ich gerade auch gelesen habe.
»Der Spielkartenmörder«, sage ich. »So ein Blödsinn.«
Er blickt auf und kneift die Lippen zusammen. Ich finde, dass er auf einmal sehr blass aussieht, als wäre ihm übel. »Eine Kunststudentin«, sagt er mit flacher Stimme.
Ich zucke die Achseln. »Hat sich wahrscheinlich den falschen Kerl ausgesucht.« Etwas anderes beschäftigt mich viel mehr. »Wieso hast du mir nie gesagt, dass du für Philipps Agentur arbeitest?«
Er blickt verblüfft von seiner Lektüre auf. »Was? Wer ist Philipp?«
»Philipp«, wiederhole ich ungeduldig. »Van Bergen. Mein Kunde, mit dem ich ... laufe und trainiere und so.« Ich merke, dass mir heiß wird. Ich denke weniger ans Laufen, wenn ich an Philipp denke. Meine Hand verirrt sich zwischen meine Beine und drückt fest zu. Ruhe da unten!
Fo spitzt verblüfft die Lippen. »Der ist dein Kunde? Das wusste ich nicht, Caro.«
»Na, jetzt weißt du es«, entgegne ich patzig. »Er hat meine Fotos und zwar auch einige, die ich niemals einem Fremden gezeigt hätte!«
Fokko zieht die Brauen zusammen. »Du wolltest sie dir nicht ansehen«, sagt er. »Ich musste eine Auswahl schicken. Die Agentur hat eins aus der ersten Serie genommen, das hatte
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