Calendar Girl
dir auch gut gefallen.«
Er liest weiter. Immer noch den Artikel über den Mord. Inzwischen müsste er ihn eigentlich auswendig kennen. Ich stütze den Kopf in die Hand und beobachte Fo. Er hat sich in den letzten Wochen verändert, irgendwie sieht er kantiger aus, härter, weniger bärenhaft. Sein Hemd sitzt lockerer als sonst, hat er abgenommen?
Er hat dieses Gesicht aufgesetzt, das er macht, wenn ein Modell absolut nicht das macht, was er von ihm will. Er wird dann immer ganz leise und scharf und hat diese Falte zwischen den Brauen. Irgendwas an der Geschichte scheint ihm richtig an die Nieren zu gehen.
Ich trinke meinen Kaffee, kämpfe mit meinem Brummschädel und begreife erst mit einer Riesenverzögerung, was Fokko an dieser Nachricht so beunruhigt. »Das ist eine von deinen?«, frage ich.
Fokko zuckt zusammen und stößt einen Löffel vom Tisch, der klirrend unter der Spüle verschwindet. Er knurrt einen Fluch und sieht mich wütend an. »Was?«
»Eins von deinen Modellen?« Ich deute auf die Schlagzeile.
Er kneift wieder die Lippen zusammen. »Kirsten«, sagt er.
Ich schnalze mit der Zunge. »Das tut mir leid«, sage ich. Und dann - wieder mit Verzögerung - kapiere ich, was ihn so fertig macht. »Kiki? Das ist Kiki? O nein!«
Er weicht meinem Blick aus, steht auf und kippt den Rest seiner Tasse in den Ausguss. Er steht mit gesenktem Kopf an der Spüle, ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber ich erkenne die Anspannung in seinen Schultern. »Fo, Scheiße, das tut mir so leid«, sage ich leise und eindringlich. Ich weiß nicht, wie weit er mit ihr fest zusammen war, vielleicht war es ja nur ein Techtelmechtel, aber so oder so ist es doch ein Horrorszenario, wenn jemand, mit dem man das Bett geteilt hat, getötet wird. Ermordet! Mir wird kalt bei dem Gedanken. Ich würde zu gerne etwas zu ihm sagen, das ihn tröstet, ihm zeigt, das ich mit ihm fühle, aber mein Kopf ist leer und in mir ist eine große, schwere, angstvolle Dunkelheit. Ich fürchte mich davor, sein Gesicht zu sehen, wenn er sich zu mir umdreht, und deshalb senke ich den Blick und starre auf die Schlagzeile.
Der Spielkartenmörder schlägt erneut zu!
25
Ich verschlafe den Tag, als ich aufwache, dämmert es schon. Philipp hat angerufen, kurz bevor ich mich hingelegt habe, und mir gesagt, dass er unsere Trainingstermine für diese Woche absagen muss. Er klang kühl und sehr beschäftigt. Das war es dann wohl, ciao ciao, bello. Ich weine ein bisschen, nicht, weil ich mich verliebt hätte, einfach nur, weil ich so erledigt bin, und schlafe dann wie ein Stein.
Fokko ist nicht da. Ich frage mich kurz, wo er jetzt sein mag. Kiki ist tot ... der Gedanke schießt mir wie ein scharfer Schmerz durch den Magen. Aber da waren ja auch noch Evelyn und Gudrun und wer weiß - vielleicht auch noch Cindy und Jacqueline und Sibel. Ich halte inzwischen alles für möglich.
Auf dem kleinen Tisch in der Diele liegt meine Post, die ich seit ein paar Tagen vernachlässigt habe. Ich sehe sie gähnend durch, während ich darüber nachdenke, ob ich mir eine Pizza kommen lasse und sie vor dem Fernseher esse oder ob ich doch noch ein bisschen rausgehe. Ich könnte auch mal endlich meine Ma anrufen oder Elli ...
Der Stapel aufgerissener Werbesendungen wächst, dann habe ich einen maschinenbeschriebenen, gelben Umschlag zwischen den Fingern, wie schon vor ein paar Tagen. Jetzt erst sehe ich, dass er gar nicht mit der Post gekommen ist, es klebt jedenfalls keine Briefmarke darauf. Ich reiße ihn auf, und wieder ist nur ein Blatt Papier mit dem Worten »Liebe Grüße« darin und eine Spielkarte, wieder der Karo-König.
Ich starre die Karte an. Was hat das zu bedeuten?
Während ich noch darüber nachgrübele, warum mich diese schlichte Spielkarte und der freundliche Gruß so sehr erschrecken, klingelt das Telefon. Ich nehme den Hörer ab und melde mich. Niemand antwortet, aber die Leitung ist nicht gestört, denn ich höre ferne Straßengeräusche, gedämpfte Stimmen, den Ton eines Fernsehers - alles in weiter Entfernung. Etwas wie ein Einatmen, ein Seufzer? Ich sage: »Hallo? Hallo, wer ist da?«, und als sich immer noch niemand meldet, murmele ich »Idiot«, und lege auf.
Ich bin halb aus dem Zimmer, als das Telefon wieder läutet. Mit ein paar schnellen Schritten bin ich am Hörer, reiße ihn herunter und belle: »Ja?!«
Ein kurzes Einatmen am anderen Ende, dann die geschäftsmäßig höfliche Stimme einer Frau: »Herr Tjarks? Hauptkommissar Herbers möchte
Weitere Kostenlose Bücher