Calendar Girl
einen Bombenanschlag aufs Polizeipräsidium angekündigt. »Diese verfluchte Boulevardpresse«, sagt sie, und die unterdrückte Wut in ihrer Stimme erstaunt mich. »Caro, ich bin der SoKo zugeteilt worden, ja. Ich darf aber nicht darüber reden.«
»Komm schon«, sage ich, selbst erstaunt über meine Hartnäckigkeit. »Das, was in der Zeitung steht, ist doch wohl öffentlich zugänglich. Also erzähl schon. Wieso nennen die ihn so?«
»Den Mörder?« Sie sieht sich unbehaglich um. »Auch noch eins? Ich hätte gerne ...« Sie hebt die Hand und signalisiert der Bedienung unsere Bestellung. Dann beugt sie sich vor und mustert mich. »Wieso interessierst du dich dafür?«
Ich hebe die Schultern und weiche ihrem Blick aus. Weil ich keine gute Begründung finde, sage ich die Wahrheit: »Ich kannte die zweite. Nicht gut, aber ...«
Ellis Hand umschließt mit festem Griff mein Handgelenk. »Du kanntest das zweite Opfer, willst du sagen?«
»Ja«, ich ziehe meine Hand weg und erwidere zornig ihren Blick. »Ist das strafbar?«
»Red keinen Quatsch.« Sie lehnt sich zurück, wartet, bis die Kellnerin weg ist und greift nach ihrem Bier. »Sie wurde erwürgt«, sagt sie. Beugt sich wieder vor, weil sie das nicht durch die ganze Kneipe schreien will, denn gerade hat wieder einer Geld in den Musikautomaten geworfen. Dumpfe Bässe, schrille Gitarrensoli. »Sie wurde mit einer Spielkarte im Mund gefunden. Erwürgt.«
Ich schlucke und lege meine Hände um das kalte Glas. »Scheiße«, sage ich.
»Die erste - kanntest du sie auch?«
Ich antworte nicht, trinke erstmal. »Keine Ahnung«, sage ich. »In der Zeitung wurde kein Name genannt.«
Ihre Augen verengen sich. »Woher weißt du überhaupt, wer das zweite Opfer ist? Hast du mich gerade angelogen, um die schmutzigen Details zu erfahren?«
»Kiki - Kirsten«, sage ich beleidigt. »Kunststudentin, hat als Aktmodell gejobbt. Groß, schlank, superkurz rasierte und feuerrot gefärbte Haare - nicht nur auf dem Kopf. Blaue Augen. Ein Muttermal auf der Hüfte.«
Elli kneift die Augen immer noch zusammen. »Du kennst sie anscheinend wirklich«, sagt sie. »Nackt.«
Ich nicke und trinke hastig einen Schluck Bier. Sie hat mich wütend gemacht und ich habe zu viel geredet. Wie immer.
Elli wartet, dass ich etwas sage, aber ich werde den Teufel tun.
Sie seufzt und murmelt: »Evelyn Kern. Schauspielerin.«
Ich schließe die Augen und kämpfe einen Panikanfall nieder, der mich aus dem Nichts anspringt. »Nicht auch noch Ev«, sage ich. »Oh Fuck!«
Elli zieht mich am Kragen meiner Jacke über den Tisch, bis wir Nase an Nase sind. »Sag nicht, dass du sie auch kennst«, flüstert sie scharf.
Das Klingeln ihres Handys rettet mich. Sie geht dran, lauscht, zieht die Brauen zusammen, kratzt sich nervös über den Kopf, brummt zustimmend, sieht mich an. Ihre Augen sind groß und dunkel und ungläubig. »Sicher?«, sagt sie. »Ah. Verstehe.« Wieder hört sie zu.
Ich lehne mich zurück und versuche mich zu entspannen, während meine Gedanken Tango tanzen. Evelyn. Kiki. Beide sind Fos Modelle für den diesjährigen Kalender. Was hat das zu bedeuten? Hat das etwas zu bedeuten? Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Polizei mit Fo sprechen will. Und mit Philipp, fällt mir siedend heiß ein. Philipps Agentur hat den Kalender in Auftrag gegeben, einige der Modelle stammen aus ihrer Kartei. Du meine Güte, hier rennt ein Mörder in meinem direkten Umfeld herum! Ich schlucke und greife haltsuchend nach der Tischkante.
Elli beendet das Gespräch, legt das Handy neben sich auf den Tisch, faltet die Hände und sieht mich an. »Also?«, sagt sie und es klingt nicht sonderlich liebevoll. »Was hast du mir zu erzählen, Carlotta?«
»Jetzt spielt dich hier nicht als Super-Bulette auf!«, fauche ich und greife nach meinem Rucksack. »Ich wollte dich treffen, nicht von dir verhört werden!«
Sie hält mich auf. »Bleib sitzen«, sagt sie scharf. »Ich kann dir eine Vorladung zukommen lassen, wenn du das willst, kein Problem.«
Ich sinke sprachlos auf den Stuhl zurück. Was? Ich hab mich doch wohl verhört!
»Caro, sei vernünftig«, sagt sie. »Du hast bei einem unserer Hauptver… du hast vor einer Stunde ein Gespräch angenommen, das nicht für dich bestimmt war. Du hast dich als seine Mitbewohnerin vorgestellt. Wo wohnst du überhaupt?«
Ich knacke an dem Wort, das sie gerade noch so eben runtergeschluckt hat. Hauptverdächtiger?
»Ich wohne bei Fo«, sage ich mechanisch.
Weitere Kostenlose Bücher