Calendar Girl
müde und voller Angst, wie ich bin - ich muss lächeln und streichele mein Handy. Philipp. Ich könnte mich an den Gedanken gewöhnen, etwas Festes mit ihm zu wagen.
»So, wir können«, reißt die Stimme meiner Schwester mich aus meinen Gedanken. Sie greift an mir vorbei nach ihrer Tasche und sieht mich dabei prüfend an. »Was ist? Du siehst irgendwie entspannter aus. Gibt es etwas Neues?«
Ich stecke das Handy weg und schüttele den Kopf. »Bin nur froh, dass ich endlich ins Bett komme.«
31
Ich schlafe erstaunlich gut im Gästebett meiner Schwester. Irgendwann gegen Morgen höre ich sie in der Küche hantieren und dann riecht es nach Kaffee.
»Ich muss gleich los«, ruft sie, während ich ins Bad tappe. »Du wolltest sicher noch bei dir vorbei und ein paar Sachen holen, oder?«
Ich knurre eine Bestätigung und drehe die Dusche auf. Das heiße Wasser tut gut und zum Aufwecken lasse ich eiskalt nachlaufen.
Nach Luft schnappend, krebsrot und so frisch, wie es nach ein paar Stunden Schlaf geht, stehe ich mit Elli in der Küche und trinke Kaffee. Sie telefoniert und checkt gleichzeitig ihre Mails. Elli ist der einzige Mensch, den ich kenne, der sogar einen Computer in der Küche hat.
»Gut«, sagt sie endlich und stellt ihre Tasse ab. »Ich bringe dich doch erst zu deiner Wohnung, Jens möchte, dass ich mit dem Einsatzkommando spreche und mich noch mal grob umsehe. Keine Hausdurchsuchung«, fügt sie hastig hinzu, als sie mein Gesicht sieht. »Nur ein Check, ob jemand dort ist.«
Sie sieht sich um, geht nach nebenan und kommt gleich wieder zurück, während sie ein Schulterhalfter anlegt. Ich starre sie an wie einen Filmstar. »Du trägst echt eine Waffe?«
Sie zieht die Riemen eng und lächelt mich an. »Normalerweise nicht«, sagt sie. »Aber im Moment muss ich dich doch beschützen, große Schwester.«
Mir schießen Tränen in die Augen und ich wende mich hastig ab. Sie ist hinter mir, nimmt mich in die Arme. Ich spüre den Druck des Metalls. Der Dienstwaffe.
»Du hast mich beschützt«, flüstert sie mir ins Ohr. »Vier Jahre lang. Das vergesse ich nicht, Caro, niemals. Jetzt bin ich dran.«
Ich kann darauf nichts antworten, aber ich erwidere ihre Umarmung. Dann drücke ich Elli weg, putze mir energisch die Nase und sage: »Los jetzt, ich hab heute noch was zu tun.«
Vor unserem Haus steht ein dunkelblauer Lieferwagen mit der Beschriftung einee örtlichen Installateursfirma. Ich hätte ihn nicht weiter beachtet, wenn Elli nicht kurz und grüßend zu ihm hingenickt hätte.
Ich schließe die Haustür auf und frage: »Gehört der zu euch?«
Sie nickt und schiebt sich an mir vorbei, die Hand in Brusthöhe, als hätte sie am liebsten ihre Waffe gezogen. Ich schaue noch einmal zu dem Lieferwagen zurück. Ein Mann in Latzhose sitzt auf dem Fahrersitz und verspeist in aller Gemütsruhe ein Brötchen.
Ich folge Elli hinein. Es ist dunkel und still und es riecht abgestanden. Zu lange nicht gelüftet. Ich kümmere mich nicht um Ellis gezischte Anweisungen - sie verschwindet gerade in der Küche - sondern gehe in mein Zimmer und ziehe mich um. Frische Kleider, meine Sporttasche kontrollieren, ob alles drin ist - okay.
Im Flur steht Elli, kaut unzufrieden auf ihrer Unterlippe und telefoniert schon wieder. Sie blickt auf, hebt die Hand, formt die Worte »Dein Handy« mit den Lippen.
Ich gebe es ihr und ziehe fragend die Brauen hoch. Sie nickt und programmiert zwei Telefonnummern ein. »Okay«, sagt sie in ihr Telefon, »danke, Jo. Ich bringe Caro jetzt zu ihrem Job und dann komme ich sofort zu euch. Sag mir noch mal die Adresse.« Sie reicht mir mein Handy und ihre Miene ist so düster, dass ich erschrecke.
Sie beendet das Gespräch und kommt gleich zur Sache. »Ich hab dir zwei Notrufnummern programmiert«, sagt sie. »Das hier auf der Eins ist unser Einsatzkommando draußen. Wenn du die aus der Wohnung anrufst, sind sie in ein paar Sekunden bei dir. Auf die Zwei hab ich meine Durchwahl gelegt. Da geht in jedem Fall jemand dran. Die benutzt du, wenn du irgendwo in der Stadt Probleme bekommst. Oder wenn der TV - wenn Fokko mit dir Kontakt aufnimmt oder wenn du ihn siehst. Okay?«
»TV«, sage ich matt. »Tatverdächtiger?«
Sie nickt mit zusammengebissenen Zähnen.
»Es ist wieder was passiert?«, frage ich. Ihr ganzes Gehabe lässt darauf schließen, ich könnte mir die Frage auch sparen.
»Ja«, erwidert sie kurz. »Der September.«
Sibel. Scheiße. Ich schlucke und wende mich kurz ab. Ihre Hand
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