Calendar Girl
sie den Grafen jetzt so lange bezirzen und umgarnen und gleichzeitig durch ihre edle Gesinnung und jungfräuliche Keuschheit bestricken, bis er ihr willenlos zu Füßen sank und ewige Treue schwor. Flannery grinste. Der Teil mit der Jungfräulichkeit könnte allerdings schwierig werden.
Sie bürstete ihr Haar mit einigen energischen Strichen und steckte es hoch, legte ein wenig farblosen Lippenstift auf und griff nach ihrem Buch. Niemand konnte sie zwingen, an einem wunderbaren Sommerabend im Zimmer zu versauern.
Flannery schloss die Tür hinter sich und orientierte sich kurz. Dort war die Treppe, über die Dawkins sie aus der Halle hinaufgeführt hatte. Die Bibliothek lag am anderen Ende des Flügels in einem Raum, der sich über zwei Geschosse erstreckte. Die Wirtschaftsräume und die Zimmer der Bediensteten waren am entgegengesetzten Ende untergebracht, zur Einfahrt hinaus gelegen. Dort würde sie also die Küche finden, jemanden, der ihr einen kleinen Imbiss bereiten konnte und wahrscheinlich auch die Auskunft, wo sie sich auf dem Grundstück aufhalten konnte, ohne dem unfreundlichen Grafen zu begegnen. Sie war fest entschlossen, dem Conte ebenso eisern aus dem Weg zu gehen wie er es offenbar wünschte. Umso ungestörter konnte sie ihrer Arbeit nachgehen.
Die Küche war ein großer, altmodisch eingerichteter Raum am Ende eines düsteren, fensterlosen Ganges. Ein riesiger Gasherd dominierte die Ostwand, darüber hingen blinkendes Kupfergeschirr, schwarzgebrannte Eisenpfannen und Töpfe. Am Spülstein, der zweigeteilt und aus Stein die Fensterseite beherrschte, stand eine rundliche, dunkle Frau in traditioneller schwarzer Kleidung und weichte Töpfe ein. Neben ihr surrte eine Spülmaschine.
»Scusi«, sagte Flannery, als ihr Eintreten keine Reaktion hervorrief, »ich bin gerade erst angekommen ...«
Die Frau drehte sich gemächlich um, trocknete ihre Hände an der Schürze und musterte Flannery vom Kopf bis zu den Füßen. »Signora Gardner«, sagte sie. »Wünschen Sie Ihr Abendessen?«
Flannery erwiderte den Blick der schwarzen Augen, der reserviert und gleichzeitig erstaunt schien. »Signora ...«, sagte sie und die Frau schüttelte den Kopf.
»Ich bin Maddalena«, erwiderte sie. »Nennen Sie mir Ihre Wünsche, dann bereite ich Ihnen etwas zu essen.«
Flannery dankte ihr und bat um Brot und etwas Käse, dazu eine Tasse Tee. Sie war nicht hungrig, das war sie nie, wenn sie eine längere Reise hinter sich hatte. Die Haushälterin nickte, bedeutete ihr, sie möge sich an den blankgescheuerten Tisch in der Mitte der Küche setzen, und machte sich schweigend an die Arbeit. Ein riesiger Kühlschrank wurde geöffnet, Papier raschelte, eine Gasflamme wurde mit einem leisen Knall entzündet, Wasser rauschte und ein Kessel schepperte auf den Herd.
Flannery hatte die Augen geschlossen und lauschte. Die Symphonie der Küchengeräusche erinnerte sie an ihre Kindheit und die unbeschwerten Tage, die sie im Häuschen ihrer Großmutter in den schottischen Uplands verlebt hatte.
»Maddalena, ich möchte mich ein wenig außerhalb des Hauses aufhalten«, sagte sie. »Können Sie mir einen Rat geben, wo ich herumlaufen kann, ohne die Kreise des Hausherrn zu stören?«
Das Rascheln, Klappern und Hantieren hörte auf. Flannery öffnete die Augen und erwiderte den Blick der Haushälterin, der großes Unbehagen ausdrückte. »Signora Gardner«, sagte sie zögernd, »Sie müssen glauben, dass Signor Conte ein ungastlicher und unhöflicher Mann ist. Das ist nicht der Fall, er ist der freundlichste und liebenswürdigste Herr ...«, sie suchte nach Worten und hob in einer hilflosen Geste die Hand. »Wenn er gewusst hätte, dass man eine junge Frau schickt, hätte er sich nicht überrumpelt gefühlt.« Ihre Haltung, der Klang ihrer Stimme, ihr Blick - alles flehte um Verständnis für die Launen ihres Herrn.
Flannery neigte leicht den Kopf, nicht als Zustimmung, aber als Zeichen, dass sie die Worte gehört und verstanden hatte. »Sie stehen schon lange in seinen Diensten«, vermutete sie.
Die Haushälterin lächelte, zum ersten Mal, seit Flannery die Küche betreten hatte. »Ich kenne ihn, seit er ein kleiner Junge war«, sagte sie.
Flannery erwiderte das Lächeln. »Dann können Sie mir helfen. Ich will ihn nicht über Gebühr belästigen, ich möchte nur meine Arbeit machen. Wo ist die Gefahr am geringsten, dass ich ihm über den Weg laufe - sowohl im Haus als auch draußen?«
Maddalena nickte und zog einen karierten
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