Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Verbündeter. Rasch wechselte er das Thema. „Ist Ihr Vater eigentlich einverstanden mit diesen nächtlichen Abenteuern?“
Sie straffte die Schultern. „Er hält mein Interesse für exzentrisch, aber harmlos.“
„Er müsste doch stolz sein auf seine Tochter, die eine begnadete Wissenschaftlerin ist.“
„Da kennen Sie meinen Vater schlecht.“
Die Bitterkeit in ihrer Stimme erschreckte ihn. „Wollen Sie damit sagen, er missbilligt Ihr Tun?“
„Ich sage nur, er ist ein Mann, der sehr viel erwartet. Und bis jetzt haben meine Schwester und ich diese Erwartungen nicht erfüllt.“
„Und das bekümmert Sie?“
Sie schwieg einen Moment. „An jedem Tag“, antwortete sie dann.
Ihrer Stimme hatte einen traurigen Unterton, und das rührte Jamie. „Weshalb?“ wollte er wissen. „Warum bedeutet Ihnen seine Anerkennung so viel?“
„Das frage ich mich selbst oft genug. Wahrscheinlich hat das etwas mit meiner Mutter zu tun.“
„Das verstehe ich nicht.“
Abigail blickte zum Himmel hinauf. „Sie starb am Tag meiner Geburt, also weiß ich gar nicht, wie es ist, eine Mutter zu haben. Ich weiß nur, dass ich ein Stück meines Herzens verloren habe.“ Ihre Aufrichtigkeit versetzte Jamie einen Schlag. Abigail Cabot sollte für ihn eigentlich keine Person mit Gefühlen sein, sondern
ein Mittel zum Zweck. Doch mit jedem Moment in ihrer Nähe wünschte er, er würde sie besser kennen.
Jetzt richtete sie den Blick auf einen fernen Stern. „All das, was man für eine Mutter empfindet, gehört in meinem Fall meinem Vater. Haben Sie eine Mutter, Mr. Calhoun?“
„Eine entzückende Mutter sogar“, gab er zu und fragte sich im Stillen, wieso er nur das Gespräch in diese Richtung gelenkt hatte. „Und lieben Sie sie?“
„Selbstverständlich.“
Abigail berührte ihre Brust. „Ich trage diese Liebe auch in mir. Doch da meine Mutter nicht mehr lebt, gehört alle Liebe meinem Vater. Und er ist sich ihrer sehr sicher.“
Jamie kannte den Senator nicht gut, doch beschlich ihn der Verdacht, dass Franklin Cabot keine Ahnung hatte, was er mit der Liebe einer klugen, leidenschaftlichen, bekümmerten Tochter wie Abigail anfangen sollte.
„Zweifellos ist er sehr glücklich über so viel Hingabe.“
„Er wäre noch viel glücklicher, wenn Helena oder ich einen Ehemann seiner Wahl bekämen.“ Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Nach dem, was Sie getan haben, ist das allerdings nicht sehr wahrscheinlich.“ Sie griff sich ein Staubtuch und wischte damit das sich außerhalb der Kuppel befindliche Teleskop mit derselben Sorgfalt ab, die ein Stallbesitzer auf die Pflege seines preisgekrönten Rennpferds verwenden würde. Nun schloss sie die Klappe in der Kuppel und ging zu der niedrigen Tür oberhalb der Treppe. Sie verzog ein wenig das Gesicht.
„Haben Sie sich verletzt?“ erkundigte sich Jamie und griff nach ihrer Hand. „Soll ich Ihnen hinunterhelfen?“
Abigail entriss ihm ihren Arm. „Ich benötige keine Hilfe!“ Sofort wich Jamie zurück und hob die Hände, als wollte er sich ergeben. Abigail fasste an den Türknauf. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie heute noch anderes Vorhaben.“
„Wieso gerade heute?“
Sie betrachtete ihn eine Weile, und ihr nachdenklicher Blick ließ ihn vergessen, dass sie eine unscheinbare Frau war. „Sie sollten nicht so viel trinken, Mr. Calhoun, und Sie sollten wirklich nicht so lange wach bleiben. So etwas verwirrt offenbar das Gehirn. Heute findet die Eröffnungsfeier des Kabinetts statt.“
„Tatsächlich?“ Er lachte leise. „Was Sie nicht sagen.“ Er ließ den Blick über die ungewöhnlich kleine Frau schweifen, die ihm einen Meteoritenschauer gezeigt hatte.
„Warum mustern Sie mich so?“ wollte sie wissen.
„Ich schaue Sie nur an. Jemanden wie Sie habe ich noch nie kennen gelernt, Abby. Und sehen Sie uns doch einmal an: Sie in ihrem Schlafmantel und ich nur halb bekleidet mit einem geliehenen Schal! Die Bühne ist bereit für einen Skandal erster Güte.“
„Eines haben Sie jedoch vergessen.“
„Und das wäre?“
„Ich bin nicht an Ihnen interessiert, und Sie sind eindeutig auch nicht an mir interessiert, denn sonst hätten Sie meinen Brief nicht verschickt. Und aus diesen Gründen können wir auch keinen Skandal auslösen.“
Schon wieder dieser Brief! Jamie hatte schon gehofft, sie würde nicht mehr davon reden. Behutsam streichelte er ihren Arm. „Glauben Sie mir, Abby, ich könnte sehr wohl einen Skandal mit Ihnen auslösen.“
9.
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