Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Mann ab. Er winkte einen Pferdeknecht heran und drückte diesem die Zügel in die eine und eine Goldmünze in die andere Hand. „Er heißt Sultan. Und Sie müssen ihn wie eine königliche Hoheit behandeln“, wies der Kongressabgeordnete den Mann an. „Wenn Sie sich daran halten, wird er Ihnen keinerlei Schwierigkeiten machen.“
Der Pferdeknecht verbeugte sich und führte das Tier zu den Mietställen in der Forth Street. Der Neuankömmling richtete seinen Kragen, klopfte sich die Ärmel ab und wandte sich den breiten Stufen des Kapitols zu.
„Wer ist das?“ fragte jemand.
„Ein Gott, der auf Erden wandelt“, flüsterte eine Frau.
Abigail verdrehte die Augen. „Das ist Mr. James Calhoun. Ein neuer Abgeordneter aus Virginia.“
Jamie fing ihren Blick auf und zwinkerte ihr zu. Sie tat, als hätte sie ihn nicht bemerkt, drehte sich um und folgte ihrem Vater und Fielena in das Gebäude.
Als sie noch ganz klein gewesen war, hatte sie sich immer wie Alice im Wunderland gefühlt, wenn sie die strahlenden Hallen des Kapitols betrat. Der riesige weiße Rundbau überwältigte sie stets und vermittelte ihr das Gefühl, als wäre sie durch ein Kaninchenloch in eine unbekannte, neue Welt aus Marmor und Gold geschlüpft, in der es fremdartige Geschöpfe wie sprechende Raupen und verrückte Hutmacher gab.
Weltmännisch wirkende Advokaten in teuren Anzügen mit Akten unter dem Arm liefen herum, neugierige Touristen schauten sich alles an, und einige von ihnen erschienen ihr viel interessanter als die Amerikaner. Abigail bemerkte eine Gruppe eleganter Franzosen, welche die in die Wand gemeißelten Inschriften lasen. Auf Spanisch schwatzende Kinder kämpften mit ihrer Langeweile, während ihre Führerin ihren Vortrag endlos fortsetzte.
Am faszinierendsten war eine Gruppe aus dem Nahen Osten, in der sich ein wichtig aussehender Herr mit Bart und Turban befand. Er wurde von einer Dame begleitet, die so vollständig in seidene Schleier gehüllt und von Dienern umgeben war, dass sie für Vorbeikommende fast unsichtbar war.
Abigail wäre gern noch länger hier geblieben, doch ihre Schwester zog sie weiter. Sie kamen in den langen Korridor, der zu den Kammern führte. Ihr Vater, der besser als alle anderen im Senat wusste, wie man einen richtigen Auftritt inszenierte, stellte sich zwischen seine beiden Töchter und hielt ihnen auffordernd seine angewinkelten Arme hin. „Meine Damen - wollen wir?“
Voller Stolz und Zuneigung legte Abigail ihre Hand auf den Arm des Senators. Für Augenblicke wie diesen lebte sie, für die herrlichen Momente, da alle Menschen sehen konnten, dass sie einen Vater hatte, der sie liebte.
Er lächelte wie ein Sieger und stolzierte den belebten Korridor entlang. „Immer schön geradeaus schauen!“ mahnte er, weil er offenbar ihren Drang spürte, die Menschen rechts und links zu betrachten. Mit festem Griff führte er sie weiter.
Abigail hoffte inständig, dass die Leute ihre erhitzten Wangen auf die Aufregung zurückführen würden, die der erste Tag der Herbst-Sitzungsperiode mit sich brachte. Und als sie ihrem Vater alles Gute wünschte und sich zu den Galeriestufen wandte, betete sie, er möge nicht den Glanz ihrer dummen Tränen bemerken, weil sie daran dachte, wie sie vergangenes Jahr auf der Westtreppe gestolpert war und dabei beinahe alle drei umgerissen hätte.
Als sie und Helena sich auf halber Höhe der Treppe befanden, spürte sie plötzlich ein seltsames Prickeln und schaute zurück. Da, am Ende des Korridors, der zu den Kammern des Hauses führte, stand James Calhoun und betrachtete sie mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Dieser unverschämte, extravagante Mensch hatte bereits zu viel von ihr gesehen. Sie kannte ihn erst seit kurzem, und schon hatte er sie hintergangen. Sie sollte sich besser von ihm fern halten.
Sie setzte einen Fuß vor den anderen und ging weiter die Treppe zur Besuchergalerie hinauf. Obwohl sie sich nicht noch einmal zu ihm umdrehte, spürte sie seinen Blick. Sie dachte an die Freiheiten, die er sich ihr gegenüber erlaubt hatte. Und er hatte sich über sie lustig gemacht, obwohl er gleichzeitig mit seiner Berührung ihre Sinne in Glut versetzt hatte.
Dieser Mann bedeutete für sie eine Gefahr, nicht im körper- liehen Sinne, doch auf eine Weise, die sie viel mehr fürchtete: Er bedrohte ihre Sicherheit und alles, was sie für wahr und richtig hielt.
Helena schlief bereits seit einer halben Stunde, und auch Abigail konnte sich kaum noch wach
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