Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
darf!“
„Wollten Sie das denn nicht die ganze Zeit? Ich meine, wollten Sie nicht, dass er als Freier zu Besuch kommt?“
„Gewiss, nur kommt er doch, um Helena den Hof zu machen.“ Ungehalten winkte Jamie ab. „Wenn er Sie sieht, vergisst er, dass er Ihrer Schwester jemals begegnet ist.“
„Das ist ja lächerlich. So dumm kann kein Mann sein.“ „Glauben Sie mir, ein jeder Mann kann so dumm sein. Nur ein einziger kurzer Blick auf das Fußgelenk, einen Fingerbreit Brustansatz, und aus einem Gelehrten wird ein Vollidiot.“
Seine anschauliche Ausdrucksweise trieb ihr die Röte ins Gesicht, und sie senkte den Kopf. Jamie besaß die einmalige Fähigkeit, sie auf hinterlistige Weise zu verletzen. Warum sie sich damit abfand, war ihr selbst ein Rätsel.
„Das ist doch der einzige Grund, weshalb wir uns überhaupt zusammengetan haben, Abby.“ Anscheinend war er sich über ihre Stimmung jetzt nicht im Klaren. „Sie verlangten doch, ich sollte Sie für Leutnant Butler unwiderstehlich machen. Bekommen Sie jetzt nur keine kalten Füße!“
Der Himmel wurde immer dunkler und der Nebel dichter. Abigail vermochte kaum die Reihenhäuser auszumachen, die von Georgetown hinunter zu dem sanften Bogen des Potomac führten. In weiter Ferne erhob sich der Seegerichtshof, und der geisterhafte Umriss des Arsenals am Flussufer zeichnete sich gegen den Himmel ab. Manchmal kam Leutnant Butler von Annapolis her, um hier offizielle Angelegenheiten zu erledigen. Falls Abigail keine Möglichkeit fand, ihn davon abzuhalten, würde er sicher bald in Georgetown etwas zu erledigen haben.
„Das ist der helle Wahnsinn“, meinte sie und sträubte sich, während Jamie sie in das elegante Modegeschäft zog. „Sie können mich einfach nicht als meine Schwester verkleiden.“
„Wer hat denn etwas von Verkleiden gesagt?“ fragte Madame Broussard, die heranrauschte, um die Besucher in Empfang zu nehmen. „Meine Absicht ist es doch, Ihre natürlichen Vorzüge zu betonen und nicht zu verbergen.“
„Nur...“
Die Modeschöpferin hörte gar nicht hin, sondern zog Abigail durch die mit einem Vorhang verdeckte Türöffnung und überließ es Jamie, den Regenschirm vor dem kleinen Öfchen im Salon zu trocknen.
Ohne erst Luft zu holen, erteilte Madame ihren Assistentinnen Anweisungen in Französisch. Die Mädchen brachten die Gewänder, damit man die letzten Änderungen vornehmen konnte.
Abigail war jedoch viel zu unruhig, um die herrlichen Stoffe in den Farben der Edelsteine oder die schlichte Eleganz des Zubehörs zu würdigen, das Madames Personal bestellt hatte - diverse Hüte und Schals, perlenbestickte Beuteltäschchen und entzückende Fächer aus zarter Schwanenhaut.
Obgleich sie Französisch nur mäßig verstand, merkte Abigail, dass die Gewandschneiderinnen wieder einmal ausgiebigst ihre bedauerlichen Mängel diskutierten. Sie kannte natürlich ihre eigenen Schwächen nur zu genau und wollte sie nicht alle in schnellem, wohlklingendem Französisch aufgezählt hören.
Sie marschierte zur Tür. „Ich gehe jetzt nach Hause“, erklärte sie. „Madame, ich danke Ihnen für Ihre Zeit. Die Gewänder sind ganz reizend, doch wie attraktiv sie auch sein mögen, so habe ich doch noch immer“ - sie unterbrach sich, um zu übersetzen, was sie gehört hatte - „unglückliches Haar und blässliche Haut.“
Die Modeschöpferin stellte sich Abigail in den Weg. „Ich rede immer geradeheraus. Dafür entschuldige ich mich auch nicht, und es wäre töricht, wenn Sie sich davon beleidigt fühlten. Ich sage nur die Wahrheit. Sie haben tatsächlich unglückliches Haar. Es ist viel zu lang und außerdem schlecht geschnitten. Wer immer Ihr Haar frisiert, kennt Sie entweder nicht, oder es interessiert ihn nicht, wie Sie aussehen.“
„Ich frisiere mich selbst.“
„Ah. Voilà. Daher! Unsere Solange wird sich sofort um Ihr Haar kümmern.“ Madame rief eine ihrer Assistentinnen herbei, ein großes, dünnes Mädchen mit ausgeprägten Wangenknochen und ernsten Augen. „Sie ist eine wahre Künstlerin mit der Schere.“
„Ich möchte mir das Haar nicht schneiden lassen.“
Madame blieb unerbittlich. „Sie haben kein Gefühl für Stil. Das werden Sie wohl nicht leugnen.“
„Das habe ich auch nie vorgegeben.“
„Wie die meisten Amerikanerinnen wissen Sie nicht, was Stil bedeutet. Stil bedeutet nicht, dass Sie die neueste Mode spazieren führen, sondern dass Sie der Welt das Allerbeste von sich vorführen. Im Gegensatz zu Ihrer Meinung
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