Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
politische Allianz für sich selbst? Es würde ihr nicht eben behagen, wenn er sich wie jeder beliebige Politiker der List bediente, um sein Ziel zu verfolgen.
Doch er vertrieb ihre Zweifel, indem er sie umarmte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte - eine höchst ungewöhnliche Geste. Ihr Vater roch nach Pimentrum und Pfefferminz, was in ihr die schönsten Augenblicke ihrer Kindheit wachrief. Bei seiner Freude, seinem Vertrauen in sie und seiner Zuneigung erschien ihr die Welt in einer ganz anderen Farbe.
„Deine Mutter wäre genauso stolz wie ich, wenn sie sehen könnte, wie du dich um das Wohlergehen deiner älteren Schwester kümmerst. Wie sehr wünschte ich, sie würde diesen Tag noch erleben können.“
„Ich wünschte, sie würde überhaupt noch leben.“ Abigail berührte ihre Wange dort, wo der Senator sie geküsst hatte. Sie hielt es in der heißen Küche nicht mehr aus, entschuldigte sich und eilte nach oben. Sie musste mit Helena über diese Angelegenheit reden, und nicht mit Dolly oder ihrem Vater. An Helena lag es schließlich, was aus diesem ganzen Fiasko wurde.
Sie stieß die Tür zum Zimmer ihrer Schwester auf. Hastig und etwas verstohlen schob Helena ein Blatt Schreibpapier unter die Decke des Frisiertisches, nahm ihre Haarbürste zur Hand und zählte die Bürstenstriche.
„Siebenundvierzig, achtundvierzig, neunundvierzig ..." Dann blickte sie in den Spiegel. „Ja?“ fragte sie. „Was gibt es denn?“ „Frühstück gibt es gleich.“
„Bestens. Ich komme sofort.“
Abigail zögerte, weil sie nicht wusste, was sie sagen wollte. Helena bürstete weiter ihr Haar und zählte leise die Striche mit. „Helena, bist du wegen irgendetwas verärgert?“
„Natürlich nicht.“ Sie ließ die Bürste sinken, erhob sich und ging vor dem Frisiertisch auf und ab. „Doch, ich bin tatsächlich verärgert. Michael - ich meine Professor Rowan - war seit unserer Rückkehr von dem Wochenende auf dem Land absolut ekelhaft zu mir, und ich ärgere mich fürchterlich über ihn. Was soll ich nur tun? Ich weiß es einfach nicht.“
„Und da fragst du mich?“ Abigail musste lachen. „Wir zwei sind doch ein armseliges Paar, nicht wahr? Ich nehme dein Problem durchaus ernst, doch in Herzensdingen vermag ich dir keinen Ratschlag zu geben. Ich bin nämlich viel verwirrter als du.“
Helena setzte sich auf das Fußende des Bettes. „Ich wünschte, Mama lebte noch. Sie würde wissen, was ich tun soll.“
Helena hatte völlig Recht - eine Mutter stand ihren Töchtern bei Liebesdingen mit ihrem Rat zur Seite, doch da ihnen eine Mutter fehlte, hatten die Schwestern gefährliche Intrigen gesponnen und verbotene Abenteuer erlebt.
„Erinnerst du dich noch an irgendetwas von ihr?“ Abigail hungerte nach jeder Kleinigkeit, und sie stellte diese Frage auch nicht zum ersten Mal, doch gewöhnlich vermied Helena es, über ihre Mutter zu reden.
Jetzt seufzte sie tief. „Ich dachte immer, das sei unmöglich, denn ich war ja erst drei Jahre alt, als sie starb. Doch manchmal ... Nein, das ist zu albern.“ Sie zupfte an der gestickten Tagesdecke, die auf dem Bett lag.
„Was denn?“ Neugierig setzte sich Abigail neben ihre Schwester. „Erzähl es mir. Unbedingt.“
„Nun gut, doch du musst mir versprechen, nicht zu lachen. Es ist nämlich so, dass ich manchmal denke, ich könnte Mamas Stimme hören. Sie singt ein Liedchen ..." Helena summte die Melodie vor. Sie traf zwar nicht genau die richtigen Töne, doch Abigail kam das Lied sehr bekannt vor. Sie erinnerte sich zwar nicht, es jemals gehört zu haben, spürte aber, wie ihr ein Kribbeln über den Rücken lief, als würde sie die Melodie erkennen.
„Natürlich konnte das auch eines der Kindermädchen gesungen haben, die Papa später einstellte“, meinte ihre Schwester.
„Nein, das war unsere Mutter; davon bin ich überzeugt.“ „Wieso kannst du dir da so sicher sein?“
„Ich weiß es eben.“
„Ja, ich auch“, stimmte Helena zu. „Immer wenn sie es sang, hat sie mich berührt - hier.“ Mit dem Handrücken strich sie über Abigails Wange. „Und dann war da noch so ein Geruch - nach Blumen ... und noch etwas. Ja, Blumenduft und etwas Warmes und Weiches. Ich kann das nicht näher beschreiben, doch die Erinnerung an dieses Aroma ist sehr stark.“
Abigail betrachtete ihre Schwester mitfühlend, aber auch neidisch. Mitfühlend, weil Helena beim Tod ihrer Mutter alt genug gewesen war, um den Verlust zu spüren, und neidisch, weil sie sich
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