Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Maryland.
„Weshalb sagen Sie, Noah sei zweimal der Mann gewesen, der Sie sind?“ wollte Abigail wissen.
„Weil er Dinge tat, die etwas zählten. Oh ja, er war ein Jockey. Er gewann mehr Rennen, als er verlor, doch er hatte noch andere Qualitäten. Er brachte mir das Reiten, das Schießen und das Fischen bei. Er lehrte mich, dass man mit einem Lachen sehr vieles regeln kann und dass ich nur die Natur anschauen muss, um zu erkennen, was anbetungswürdig ist.“
Vielleicht war auf diese Weise Jamies Verehrung für das Land entstanden, und vielleicht kämpfte er deshalb gegen die allmächtigen Eisenbahngesellschaften, um einen Teil Virginias zu retten.
„Ich wünschte, ich hätte Ihren Bruder kennen gelernt.“ Abigail sah Jamie jetzt mit anderen Augen. „Noah ist der Grund, weshalb Sie sich in den Kongress haben wählen lassen und weshalb Sie die Ausdehnung der Eisenbahnen aufhalten wollen.“
„Worauf zielen Sie ab?“
„Sie wollen gar nicht als ein guter Mensch betrachtet werden, obwohl Sie einer sind.“
„Sollten Sie sich nicht alle diese wunderbaren Gedanken für Ihren Leutnant aufheben?“
Abigail bedachte ihn mit einem finsteren Blick. „Ich bin in der Lage, mit mehr als einer Sorte Männer befreundet zu sein.“
„Das ist mir durchaus bekannt. Ich habe Ihre Briefe gelesen.“ Zum wiederholten Mal ärgerte sie sich über sich selbst; weshalb hatte sie ihm nur diesen Einblick in ihr Herz gestattet? Das war ja beinahe so, als werfe sich ein Kaninchen vor dem Wolf auf den Rücken!
„Sie sollten mich am wenigsten dafür kritisieren, dass ich noch Bewunderung aufbringe. Schließlich haben Sie mich dazu ermutigt“, erinnerte sie ihn. Er machte sie unsagbar traurig, und dieses Gefühl war ihr unbehaglich.
Weshalb nur war sie traurig wegen James Calhoun? Sie hatten sich doch beide zusammengetan zu dem Zweck, für sie einen Ehemann einzufangen und Jamie die Unterstützung eines mächtigen Senators zu sichern. Dabei blieb doch keinerlei Raum für Mitgefühl.
Sie ließ sich ihre Verwirrung nicht anmerken. „Nun, eines ist jedenfalls sicher - mein Vater ist von Ihnen und Ihren Eltern beeindruckt.“
„In diesem Fall war der Ausflug ja ein Erfolg. Abby, halten Sie mich nicht fälschlich für einen Mann mit Gewissen. Ich kam mit einer ganz bestimmten Absicht hierher, und ich werde alles tun, was nötig ist, sie ins Werk zu setzen.“
„Und das schließt ein, dass Sie sich mit Senator Cabots reizloser Tochter anfreunden?“
Er lachte. „Touché, meine Liebe.“
Abigail öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch er fasste ihr Kinn, klappte ihren Mund wieder zu und strich mit dem Daumen leicht und mit beleidigender Vertraulichkeit an ihrer Wange entlang.
„Sie sind sehr nahe daran, Ihren Leutnant zu gewinnen“, stellte er fest. „Daran sollten Sie denken, statt mir meinen niederen Charakter vorzuhalten, was Sie jetzt gerade zu tun im Begriff wa ren. “
Sie riss den Kopf fort. „Für Sie ist das Ganze ein Spiel, bei dem man gewinnen oder verlieren kann. Ich jedoch liebe ihn. Können Sie das nicht verstehen?“
„Liebe!“ Er lachte laut auf. „Sie glauben, Sie lieben Butler, weil er für Ihre gut bestellte kleine Welt keine Bedrohung darstellt. Außer gelegentlich einem poetischen Brief verlangt er nichts von Ihnen. Solange er Ihnen vom Leibe bleibt, riskieren Sie nichts.“
Abigail starrte ihn wütend an. „Wie können Sie es wagen, so etwas zu sagen?“
„Weil es ja sonst niemand tut. Geben Sie es ruhig zu, Abby - Sie scheuen das Risiko. Für Boyd Butler zu schwärmen ist, wie einen Stern zu lieben. Sie begeben sich nicht in die Gefahr, verletzt zu werden. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was wohl geschehen würde, wenn Sie es darauf ankommen ließen?“
„Ich gehe durchaus Risiken ein!“ gab sie zurück. Wieso sah er das denn nicht? Weshalb verstand er nicht, wie sehr sie sich mit ihrer Unbeholfenheit der Lächerlichkeit aussetzte und wie sehr sie tatsächlich die Sterne liebte? „Habe ich nicht das Reiten gelernt?“
„Dann riskieren Sie doch auch einmal ihr Herz“, versetzte er.
„So, wie Sie Ihres riskiert haben?“
Jamie ging nicht darauf ein. Stattdessen sagte er: „Sie wollen doch die Hochachtung Ihres Vaters erringen, haben jedoch bisher in Ihrem Leben nichts weiter als flüchtige Bewunderung von ihm erlangt. Wenn Sie Ihre anstrengenden Bemühungen einstellten, könnten Sie möglicherweise Erfolg haben.“
„Oder versagen.“
Abigail und Jamie stritten
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