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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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kommen.«
    »Naomi.« Er zog ihre Hand von seinem Gesicht weg.
    »Der Mann, der es nicht erwarten kann, in den Straßen von Tycho High Noon zu spielen – das ist nicht der Jim Holden, den ich kenne. Dieser Mann ist mir fremd.« Sie runzelte die Stirn. »Nein, das stimmt nicht. Ich erkenne ihn. Sein Name war Miller.«
    Das Schlimmste für Holden war ihre Ruhe bei alledem. Sie hatte nicht einmal besonders laut oder wütend gesprochen. Vielmehr, und das war unendlich schmerzlicher, erkannte er nichts als Resignation und Trauer.
    »Wenn du das jetzt bist, dann musst du mich irgendwo absetzen. Ich kann nicht mit dir weitermachen«, sagte sie. »Ich steige aus.«

23 Avasarala
    Avasarala stand am Fenster und blickte in den Morgendunst hinaus. In der Ferne hob ein Frachtschiff ab. Die Abgaswolke stand als weiße Säule unter dem Schiff, dann war es verschwunden. Ihre Hände taten weh. Sie wusste, dass einige Photonen, die ihre Augen berührten, von Explosionen stammten, die sich mehrere Lichtminuten entfernt ereigneten. Die Ganymed-Station, einst der sicherste unter all den Orten ohne eigene Atmosphäre, war ein Kriegsgebiet geworden und lag in Trümmern. Sie konnte so wenig das Licht herausfiltern, das deren Tod bezeugte, wie es ihr möglich war, ein bestimmtes Salzmolekül aus dem Meer zu fischen, aber sie wusste, dass es dort war, und die Gewissheit lag ihr wie ein Stein im Magen.
    »Ich kann um Bestätigung bitten«, schlug Soren vor. »Nguyen müsste seinen Einsatzbericht in den nächsten achtzehn Stunden einreichen. Sobald er vorliegt …«
    »Wir wissen, was er behaupten wird«, fuhr Avasarala ihn an. »Ich kann es Ihnen jetzt schon sagen. Die marsianischen Streitkräfte haben eine bedrohliche Formation gebildet, und er war gezwungen, aggressiv zu reagieren. Der übliche Bockmist. Aber woher hat er die Schiffe bekommen? «
    »Er ist ein Admiral«, sagte Soren. »Ich dachte, er kann einfach darüber verfügen.«
    Sie drehte sich um. Der junge Mann war müde. Er war schon seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen, genau wie alle anderen. Die Augen waren blutunterlaufen, die Haut bleich und feucht vor kaltem Schweiß.
    »Ich habe seine abkommandierten Schiffe selbst umdirigiert und seine Streitmacht zerlegt, bis man sie in einer Badewanne hätte versenken können. Und jetzt besitzt er auf einmal genügend Feuerkraft, um die marsianische Raumflotte anzugreifen?«
    »Anscheinend«, gab Soren zu.
    Beinahe hätte sie ausgespuckt. Gedämpft durch Entfernung und Glas kam endlich das Grollen des startenden Frachters bei ihr an. Das Licht war längst verschwunden. Für ihren müden Verstand entsprach dies der Politik im Jupitersystem oder im Gürtel. Etwas geschah – man konnte es sogar beobachten –, doch man hörte erst davon, wenn es längst vorbei war. Wenn es zu spät war.
    Sie hatte einen Fehler gemacht. Nguyen war ein Kriegstreiber. Ein unreifer Bengel, der glaubte, man könne jedes Problem lösen, wenn man nur lange genug schoss. Sein Vorgehen war bislang immer so subtil gewesen wie ein Hieb mit dem Bleirohr auf die Kniescheibe. Jetzt hatte er heimlich und völlig unbemerkt eine Flotte aufgeboten. Und er hatte sie aus den Verhandlungen mit dem Mars herausgedrängt.
    Was bedeutete, dass er nicht der Drahtzieher war. Nguyen hatte entweder einen Gönner oder eine Verschwörung laufen. Für einen so raffinierten Strategen hatte sie den Admiral nicht gehalten, und deshalb hatte sie derjenige, der tatsächlich die Fäden zog, übertölpeln können. Sie kämpfte gegen Schatten, und das hasste sie.
    »Mehr Licht«, sagte sie.
    »Verzeihung?«
    »Finden Sie heraus, wie er die Schiffe bekommen hat«, befahl sie. »Tun Sie es, ehe Sie sich schlafen legen. Ich brauche einen umfassenden Bericht. Woher sind die Ersatzeinheiten gekommen, wer hat die Befehle gegeben, wie wurde der Einsatz begründet? Einfach alles.«
    »Möchten Sie auch ein Pony haben, Madam?«
    »Und ob ich das will.« Sie stützte sich schwer auf den Schreibtisch. »Sie leisten gute Arbeit. Vielleicht bekommen Sie eines Tages einen richtigen Job.«
    »Darauf freue ich mich schon, Madam.«
    »Ist sie noch da?«
    »An ihrem Arbeitsplatz«, bestätigte Soren. »Soll ich sie hereinschicken?«
    »Aber ein bisschen plötzlich.«
    Als Bobbie mit einem billigen Blatt Papier in der Hand eintrat, fiel Avasarala wieder einmal auf, wie schlecht sich die Marsianerin in diese Umgebung einfügte. Es waren nicht nur ihr Akzent und der ungewöhnliche Körperbau, die

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