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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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den Aufzügen. Soren runzelte die Stirn, machte ein paar Schritte in die angegebene Richtung, blickte nervös in die Runde und steuerte gleich wieder den Ausgang des Gebäudes an.
    Bobbie folgte ihm.
    Draußen war ihre Größe zugleich ein Vorteil und ein Nachteil. Da sie anderthalb Köpfe größer war als die meisten anderen Menschen, konnte sie ziemlich weit hinter Soren bleiben, als dieser über den Gehweg eilte. Aus einem halben Block Entfernung konnte sie mühelos seinen Hinterkopf erkennen. Wenn er sich umdrehte, konnte er andererseits mühelos ihr Gesicht ausmachen, das die Einheimischen weit überragte.
    Doch er drehte sich nicht um. Anscheinend hatte er es sogar recht eilig, als er sich mit unverkennbarer Ungeduld durch die Menschentrauben auf den Gehwegen vor dem UN-Campus drängte. Er drehte sich nicht um und blieb auch nicht vor einer reflektierenden Fläche stehen. Schon als er sich am Empfangstresen gemeldet hatte, war er sehr nervös gewesen, und jetzt war er offenbar wütend und versuchte, die Nervosität zu zügeln.
    Bobbie überwand den toten Punkt, die Muskeln entspannten sich, ihre Gelenke bewegten sich locker und frei, und ihre Ahnung verstärkte sich fast zur Gewissheit.
    Drei Blocks weiter bog er ab und betrat eine Bar.
    Bobbie hielt einen halben Block entfernt an und dachte nach. Die Bar, die den ungeheuer einfallsreichen Namen »Pete’s« trug, besaß eine abgedunkelte Frontscheibe. Wenn man irgendwo abtauchen und beobachten wollte, ob einem jemand folgte, war das ein sehr guter Ort. Vielleicht war Soren auf sie aufmerksam geworden.
    Oder auch nicht.
    Bobbie näherte sich dem Eingang. Es hätte keinerlei Konsequenzen, wenn er bemerkte, dass sie ihm gefolgt war. Er konnte sie sowieso nicht leiden. Das Einzige, was man ihr vorwerfen konnte, war, dass sie sich zu früh vom Arbeitsplatz entfernt hatte, um in der Nähe eine Bar aufzusuchen. Wer wollte sie deshalb verpetzen? Soren, der genauso früh verschwunden war und dieselbe Bar aufgesucht hatte?
    Wenn er dort drinnen war und nichts weiter tat, als sich ein frühes Bier zu genehmigen, konnte sie einfach zu ihm gehen, sich für die Sache mit den Keksen entschuldigen und ihm den nächsten Drink spendieren.
    Sie stieß die Tür auf und trat ein.
    Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich vom nachmittäglichen Sonnenlicht auf das schwach beleuchtete Innere der Bar einzustellen. Sobald sie wieder etwas sehen konnte, entdeckte sie eine lange, mit Bambus verkleidete Theke, hinter der ein menschlicher Barkeeper stand, und ein halbes Dutzend Nischen mit ebenso vielen Gästen, aber keinen Soren. Es roch nach Bier und angebranntem Popcorn. Die Gäste warfen ihr einen kurzen Blick zu und konzentrierten sich gleich wieder auf ihre Drinks und die gemurmelten Unterhaltungen.
    War Soren durch den Hinterausgang verschwunden und ihr entwischt? Sie glaubte nicht, dass er sie bemerkt hatte, war aber auch nicht dazu ausgebildet, Verdächtige zu beschatten. Sie wollte gerade den Barkeeper fragen, ob ein Mann hier durchgelaufen und wohin er verschwunden sei, als sie hinter der Theke ein Schild mit der Aufschrift POOL BILLARD und einem nach links weisenden Pfeil bemerkte.
    Sie ging zum hinteren Teil der Bar, wandte sich nach links und entdeckte einen zweiten, kleineren Raum mit vier Pooltischen, in dem sich zwei Männer befanden. Einer von ihnen war Soren.
    Die beiden merkten auf, als Bobbie um die Ecke kam.
    »Hallo«, sagte sie. Soren lächelte sie an, aber das tat er ja immer. Das Lächeln war für ihn ein Schutzanstrich. Tarnfarbe. Der andere Mann war groß, gut trainiert und trug betont lässige Sachen, die sich große Mühe gaben, in einem verlotterten Poolsalon nicht aufzufallen. Die Kleidung passte freilich nicht zu dem militärisch kurzen Haarschnitt und der bolzengeraden Haltung. Bobbie hatte den Eindruck, den Mann schon einmal gesehen zu haben, wenngleich in einer ganz anderen Umgebung. Sie versuchte, ihn sich mit Uniform vorzustellen.
    »Bobbie.« Soren warf seinem Kumpan einen kurzen Blick zu. »Spielen Sie?« Er nahm einen Queue in die Hand, der auf einem Tisch gelegen hatte, und kreidete die Spitze ein. Bobbie verzichtete auf den Hinweis, dass auf keinem der Tische auch nur eine Kugel lag. Hinter Soren hing ein Schild an der Wand: KUGELN AN DER THEKE.
    Der Kumpan sagte nichts, sondern schob sich etwas in die Hosentasche. Bobbie bemerkte schwarzes Plastik zwischen seinen Fingern.
    Sie lächelte, denn ihr war eingefallen, wo sie diesen Mann schon einmal

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