Calibans Krieg
weniger als eine Minute. Amos hatte die Ansprache mit der Kamera des Handterminals aufgezeichnet. Danach hatten Amos und Prax eine Stunde damit verbracht, den Rest zu schneiden. Alex hatte schließlich vorgeschlagen, die bessere Ausrüstung der Rosinante zu benutzen. Sobald sie das getan hatten, war es leicht gewesen, die Informationen zusammenzustellen. Seine Nachrichten an Nicola und seine Eltern hatte er teilweise wiederverwenden können, und Alex hatte ihm geholfen, den Rest aufzuzeichnen – eine Erklärung, woran Mei litt, die Bilder der Überwachungskamera, die Strickland zeigten, außerdem die geheimnisvolle Frau, die das Kind aus der Tagesstätte verschleppt hatte, die Daten aus dem Geheimlabor und dazu die Aufnahmen von den Fasern des Protomoleküls, einige Aufzeichnungen von Mei, wie sie in den Parks spielte, und ein kurzes Video von der Feier ihres zweiten Geburtstags, als sie sich Kuchenglasur auf die Stirn geschmiert hatte.
Prax fühlte sich seltsam, als er sich selbst sprechen sah. Er hatte schon viele Aufnahmen von sich selbst gesehen, aber der Mann auf dem Bildschirm war schmaler als erwartet. Älter. Die Stimme klang höher, als er sie mit den eigenen Ohren wahrnahm, und weniger zögerlich. Der Praxidike Meng, der sich nun der ganzen Menschheit mitteilen wollte, verkörperte nicht ganz das, was er wirklich war, aber er war eine gute Imitation. Und wenn es dabei half, Mei zu finden, dann musste es reichen. Er war bereit, jede beliebige Rolle zu spielen, wenn er sie nur zurückbekäme.
Alex’ Finger huschten über die Regler, bauten die Präsentation um und verknüpften die Aufnahmen von Mei mit Holden. Bei einer im Gürtel angesiedelten Genossenschaftsbank hatten sie ein Konto eingerichtet, das besonders für kurzfristige, nicht auf Profit zielende Aktivitäten geeignet war. Eingehende Spenden würden dort automatisch verbucht. Prax sah sich das Video an, wollte unbedingt noch etwas hinzufügen oder die Kontrolle zurückgewinnen, doch es gab nichts mehr zu tun.
»Alles klar«, entschied Alex. »Besser bekomme ich es nicht hin.«
»In Ordnung«, sagte Prax. »Was tun wir jetzt damit?«
Alex drehte sich zu ihm um. Er war müde, aber zugleich auch aufgeregt.
»Jetzt drücken Sie auf den Sendeknopf.«
»Aber der Korrekturdurchlauf …«
»Es gibt hier keinen Korrekturdurchlauf, Doc. Wir arbeiten hier nicht für die Regierung. Wir sind nicht einmal eine richtige Firma. Wir sind nur ein paar Affen, die schnell fliegen und versuchen, mit dem Arsch nicht in die Rückstoßwolke zu kommen.«
»Oh«, sagte Prax. »Ehrlich?«
»Sie gewöhnen sich daran, wenn Sie lange genug mit dem Kapitän zusammenarbeiten. Aber lassen Sie sich ruhig einen Tag Zeit, um es noch einmal zu überdenken.«
Prax stemmte sich auf einem Ellbogen hoch.
»Was soll ich überdenken?«
»Ob Sie es wirklich senden wollen. Wenn es so funktioniert, wie wir es uns vorstellen, werden Sie eine Menge Aufmerksamkeit bekommen. Vielleicht wird es das sein, was wir erhoffen, vielleicht auch etwas anderes. Ich sage nur, dass Sie das Ei nicht mehr zurück in die Schale kriegen, wenn das Rührei gebacken ist.«
Prax überlegte einige Sekunden. Die Bildschirme glühten.
»Es geht doch um Mei«, sagte er schließlich.
»Also gut.« Alex legte die Kommunikationskontrolle auf die Station des Copiloten. »Wollen Sie es selbst tun?«
»Wohin geht das denn? Ich meine, an wen senden wir das?«
»Es ist eine einfache ungerichtete Sendung«, erklärte Alex. »Wahrscheinlich schnappen es ein paar lokale Feeds im Gürtel auf. Aber da der Kapitän im Video zu sehen ist, werden die Leute genau hinschauen und es über das Netz weiterleiten. Und …«
»Und?«
»Wir haben unseren blinden Passagier zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber die Fasern auf dem Glaskasten sprechen eine deutliche Sprache. Wir zeigen allen, dass das Protomolekül immer noch da ist. Das wird die Reichweite erheblich erhöhen.«
»Wird uns das denn helfen?«
»Als wir das erste Mal so etwas gemacht haben, hat es einen Krieg ausgelöst«, erklärte Alex. »Von ›helfen‹ kann man eigentlich nicht reden. Aber es wird Aufsehen erregen.«
Prax zuckte mit den Achseln und drückte auf den Sendeknopf.
»Torpedos raus«, kicherte Alex.
Eingelullt vom ewigen Säuseln der Luftaufbereiter schlief Prax auf der Station. Amos war schon wieder unterwegs und hatte nur eine Nachricht hinterlassen, dass Prax nicht auf ihn warten solle. Wahrscheinlich bildete er es sich nur ein, aber die
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