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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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durch Drehung erzeugte Schwerkraft fühlte sich anders an. Bei einem Objekt von der Größe Tychos hätte sich die Corioliskraft nicht unangenehm bemerkbar machen dürfen, und ganz gewiss nicht, wenn er reglos und im Dunkeln auf seiner Koje lag. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl. Er konnte nicht vergessen, dass er sich im Weltraum drehte und von der Fliehkraft auf die dünne Matratze gepresst wurde, weil sein Körper in die Leere davonfliegen wollte. Auf der Rosinante hatte er sich meist eingeredet, er habe die beruhigende Masse eines Mondes unter sich. Wahrscheinlich kam es nicht so sehr darauf an, wie die Schwerkraft erzeugt wurde, sondern eher, was sie bedeutete.
    Als er langsam einschlief, zerbrach sein Selbst wie ein Meteor, der in eine Atmosphäre eindrang. Er empfand eine ungeheure Dankbarkeit für Holden, Amos und die ganze Crew der Rosinante . Im Halbschlaf träumend, sah er sich wieder auf Ganymed. Er verhungerte, lief durch Eiskorridore und war sicher, dass eine seiner Sojabohnen mit dem Protomolekül infiziert war, auf Rache sann und ihn verfolgte. Dank der seltsamen Logik der Träume war er zugleich auf Tycho und suchte Arbeit, doch alle Menschen, denen er seinen Lebenslauf zeigte, schüttelten nur den Kopf und sagten, ihm fehle ein Abschluss, den er gar nicht kannte, oder eine Empfehlung, was er nicht begriff. Das Einzige, was die Sache erträglich machte, war das tiefe Wissen – so sicher, wie er nur etwas wissen konnte –, dass nichts davon der Wahrheit entsprach. Er wusste, dass er schlief und an einem sicheren Ort wieder aufwachen würde.
    Schließlich weckte ihn der kräftige Geruch von Rindfleisch. Seine Augen waren verkrustet, als hätte er im Schlaf geweint. Die Tränen waren verdunstet und hatten salzige Rückstände hinterlassen. Die Du sche zischte und platschte. Prax zog den Overall an und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum das Wort TACHI auf dem Rücken stand.
    Das Frühstück wartete schon auf ihn: Steak und Eier, Tortillas aus richtigem Mehl, schwarzer Kaffee. Echte Lebensmittel, für die jemand ein kleines Vermögen ausgegeben hatte. Auf dem Tisch standen zwei Teller, also suchte Prax sich einen aus und begann zu essen. Wahrscheinlich hatte das Essen ein Zehntel des Geldes gekostet, das er von Nicola bekommen hatte, aber es schmeckte wundervoll. Amos trat geduckt aus der Dusche, ein Handtuch um die Hüften geschlungen. Auf der rechten Seite seines Bauchs prangte eine große weiße Narbe, der Nabel saß etwas schief. Auf dem Herzen trug er eine fast fotografisch exakte Tätowierung, die eine junge Frau mit gewelltem Haar und Mandelaugen zeigte. Prax glaubte, unter der Tätowierung ein Wort zu erkennen, war aber nicht sicher und wollte nicht starren.
    »Hallo, Doc«, sagte Amos. »Sie sehen besser aus.«
    »Ich habe mich etwas ausgeruht«, erklärte Prax, während Amos in sein eigenes Zimmer ging und hinter sich die Tür schloss. Mit gehobener Stimme fuhr Prax fort: »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Gestern Abend war ich nicht gut drauf. Und ob Sie und die anderen mir tatsächlich helfen können, Mei zu finden oder nicht …«
    »Warum sollten wir sie nicht finden?«, drang Amos’ Stimme gedämpft durch die Tür. »Sie haben doch nicht etwa das Vertrauen in meine Fähigkeiten verloren, Doc?«
    »Nein«, entgegnete Prax. »Nein, ganz sicher nicht. Ich meine nur, was Sie und der Kapitän mir geben, ist … es ist ein riesiges …«
    Amos kehrte grinsend zurück. Sein Overall bedeckte die Narben und Tätowierungen, als hätten sie nie existiert.
    »Ich weiß, was Sie meinen. Ich habe Sie nur aufgezogen. Mögen Sie das Steak? Ich frage mich immer, wo sie auf dieser Station die Kühe halten.«
    »O nein, das ist Retortenfleisch. Man sieht es an der Art, wie die Muskelfasern gewachsen sind. Erkennen Sie die Schichten in diesem Teil? So ist es sogar leichter als bei einem echten Stier, ein gut marmoriertes Stück zu bekommen.«
    »Tatsächlich?« Amos setzte sich ihm gegenüber. »Das wusste ich nicht.«
    »In der Mikrogravitation wird übrigens auch Fisch viel nahrhafter«, fuhr Prax fort, während er einen Bissen Ei kaute. »Die Produktion von Tran ist erhöht. Niemand kennt den Grund, aber es gibt zwei sehr interessante Untersuchungen darüber. Man glaubt, es sei gar nicht die niedrige Schwerkraft, sondern vielmehr die stetige Strömung, die man braucht, um die Tiere mit Sauerstoff zu versorgen. Sie müssen ständig schwimmen, damit sie nicht in einer Blase aus sauerstoffarmem

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