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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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sie umbringt, Doktor. Ich muss mit der Soldatin sprechen, und zwar sofort. Also geben Sie ihr, was immer nötig ist, damit sie aussagen kann.«
    Bobbie lächelte in sich hinein. Was die freundliche Stimme verlangt hatte, blieb für sie völlig unverständlich. Wichtig war nur der freundliche, warme Tonfall. Es war gut, jemanden zu haben, der sich um einen kümmerte. Sie schlief wieder ein und begrüßte die heraufziehende Schwärze wie einen alten Freund.
    Weißes Feuer raste Bobbies Wirbelsäule hinauf. So wach wie noch nie saß sie unvermittelt kerzengerade im Bett. Es fühlte sich an, als hätte sie den Saft genommen, den Chemiecocktail, der es den Raumfahrern erlaubte, bei Manövern mit hohen G-Werten bei Bewusstsein zu bleiben. Bobbie öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder, als ihr die grellen weißen Lichter des Raums fast die Augäpfel verbrannten.
    »Schalten Sie das Licht aus«, murmelte sie. Ihre trockene Kehle brachte nicht mehr als ein heiseres Raunen zustande.
    Der rote Schein, der sogar noch durch die Augenlider drang, verblasste, doch als sie es erneut versuchte, war es immer noch zu hell. Jemand nahm ihre Hand, hielt sie fest und gab ihr eine Tasse.
    »Können Sie das selbst halten?«, fragte die nette Stimme.
    Bobbie antwortete nicht, sondern hob die Tasse zum Mund und trank mit zwei großen gierigen Schlucken das Wasser.
    »Mehr«, verlangte sie. Es klang schon fast wieder wie ihre gewohnte Stimme.
    Sie hörte, wie jemand einen Stuhl rückte, dann entfernten sich Schritte auf dem gefliesten Boden. Ein kurzer Blick verriet ihr, dass sie sich in einem Krankenhaus befand. In der Nähe summten medizinische Apparate. Desinfektionsmittel und Uringeruch kämpften in ihrer Nase um die Vorherrschaft. Verlegen stellte sie fest, dass sie selbst die Quelle des Uringestanks war. Ein Wasserkran lief einen Moment, dann näherten sich die Schritte, und die Tasse war wieder in ihrer Hand. Dieses Mal trank sie langsamer und behielt das Wasser einen Moment im Mund, ehe sie es herunterschluckte. Es schmeckte kühl und köstlich.
    Als sie fertig war, fragte die Stimme: »Noch mehr?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht später.« Nach einer kleinen Pause fragte sie: »Bin ich blind?«
    »Nein. Sie haben eine Mischung aus konzentrationsfördernden Mitteln und starken Amphetaminen bekommen, was dazu führt, dass Ihre Pupillen maximal erweitert sind. Es tut mir leid, ich habe nicht daran gedacht, das Licht zu dämpfen, ehe Sie aufgewacht sind.«
    Die Stimme war immer noch voller Freundlichkeit und Wärme. Bobbie wollte das Gesicht sehen, das zu der Stimme gehörte, also riskierte sie es, mit einem Auge zu blinzeln. Das Licht brannte nicht mehr wie vorher, war aber immer noch unangenehm. Der Besitzer der netten Stimme entpuppte sich als sehr großer, schmaler Mann in der Uniform des Marinegeheimdienstes. Das schmale Gesicht war angespannt, als wollte sich der Schädel aus der Haut zwängen. Er schenkte ihr ein schreckliches Lächeln, bei dem sich die Mundwinkel kaum hoben.
    »Gunnery Sergeant Roberta W. Draper, Zweite Einheit der Marineexpeditionsstreitkräfte«, sagte er mit einer Stimme, die so schlecht zu seinem Äußeren passte, dass Bobbie den Eindruck gewann, sie betrachtete einen fehlerhaft synchronisierten Film.
    Nachdem er einige Sekunden lang nichts weiter gesagt hatte, antwortete Bobbie: »Ja, Sir.« Ein rascher Blick auf seine Rangabzeichen. »Captain.«
    Inzwischen konnte sie schmerzfrei beide Augen öffnen, spürte jedoch ein seltsames Kribbeln in den Gliedmaßen. Sie fühlten sich taub und zugleich zittrig an. Tapfer widerstand sie dem Drang, nervös herumzurutschen.
    »Sergeant Draper, ich bin Captain Thorsson und führe mit Ihnen die Nachbesprechung durch. Wir haben Ihren ganzen Zug verloren. Es gab eine zwei Tage lange erbitterte Schlacht zwischen den Vereinten Nationen und der Marsrepublik. Soweit wir es sagen können, wurde dabei Infrastruktur im Wert von mehr als fünf Milliarden Marsdollar zerstört, und fast dreitausend Militärangehörige und Zivilisten haben das Leben verloren.«
    Er hielt inne und starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an, die sie an eine Schlange erinnerten. Da sie nicht wusste, auf welche Antwort er wartete, sagte Bobbie nur: »Ja, Sir.«
    »Sergeant Draper, warum hat Ihre Einheit auf den Militärstützpunkt der UN bei Kuppel vierzehn gefeuert und ihn zerstört?«
    Die Frage war so unsinnig, dass Bobbie mehrere Sekunden brauchte, um zu begreifen, was sie

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