Calibans Krieg
durchschaut hatte. Er wandte den Blick ab, als sie ihn anlächelte.
Dann ging die Tür auf, und zwei Techniker der Marine rollten ihren Anzug herein, der auf einem Untersuchungstisch lag. Er war nicht zerstört, also hatten sie ihn nicht aufgesprengt, um sie herauszuholen. Auf einmal hatte sie einen Kloß im Hals, den sie energisch hinunterschluckte. Sie wollte diesem Affen von Thorsson keine Schwäche mehr zeigen.
Der Affe deutete auf den leitenden Techniker. »Sie. Wie heißen Sie?«
Der junge Mann nahm Haltung an. »Bootsmann Singh, Sir. Technische Abteilung.«
»Mister Singh, Sergeant Draper behauptet, ihr Anzug benutze eine andere Videokompression als die neuen Rüstungen, weshalb Sie die Videodaten nicht auslesen konnten. Trifft das zu?«
Singh schlug sich die flache Hand auf die Stirn.
»Verdammt, ja«, gestand er. »Ich habe nicht daran gedacht … das ist der alte Mark-III-Goliath-Anzug. Als der Mark IV in Produktion ging, hat man die Firmware neu geschrieben. Es ist ein ganz anderes System der Videospeicherung. Mann, ich komme mir ziemlich dumm vor …«
»Ja«, unterbrach Thorsson. »Tun Sie, was immer Sie tun müssen, um uns das Video vorzuführen, das im Anzug gespeichert ist. Je eher Sie es tun, desto weniger Zeit habe ich, mich über die Verzögerung zu ärgern, die durch Ihre Inkompetenz entstanden ist.«
Singh war so klug, darauf nicht zu antworten. Er verband den Anzug mit einem Monitor und machte sich an die Arbeit. Bobbie betrachtete unterdessen ihre Rüstung, die eine Menge Kratzer und kleine Beulen aufwies, sonst aber intakt zu sein schien. Sie verspürte den dringenden Wunsch, hineinzusteigen und Thorsson zu erklären, wohin er sich seine Verhaltensweise stecken konnte.
Auf einmal zitterten wieder ihre Arme und Beine. Im Hals bebte etwas, das sich anfühlte wie der Herzschlag eines kleinen Tiers. Sie hob die Hand und tastete. Es war ihr Puls. Sie wollte etwas sagen, doch der Techniker hob triumphierend die Hand und klatschte mit seinem Assistenten ab.
»Ich hab’s, Sir.« Singh startete die Aufzeichnung.
Bobbie wollte zusehen, doch die Bilder verschwammen ihr vor den Augen. Sie griff nach Thorssons Arm, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen, verfehlte ihn aber und kippte hilflos weiter nach vorn.
Geht das schon wieder los, dachte sie noch. Ein kurzer freier Fall, und dann wurde alles schwarz.
»Verdammt«, sagte eine scharfe Stimme. »Ich habe Sie doch gewarnt, dass es passieren würde. Die Soldatin hat innere Verletzungen und eine böse Gehirnerschütterung erlitten. Sie können ihr nicht einfach Wachmacher spritzen und sie verhören. Das ist verantwortungslos. Es ist kriminell!«
Bobbie schlug die Augen auf. Sie lag wieder im Bett, Thorsson saß neben ihr auf dem Stuhl. Eine kräftige blonde Frau in Krankenhausmontur stand am Fußende, ihr hübsches Gesicht war vor Wut gerötet. Als sie erkannte, dass Bobbie wach war, kam sie an die Seite des Betts und nahm ihre Hand.
»Sergeant Draper, bitte bewegen Sie sich nicht. Sie sind gestürzt, und einige Ihrer Verletzungen haben sich verschlimmert. Wir haben Sie stabilisiert, aber Sie müssen sich jetzt ausruhen.«
Dabei starrte die Ärztin Thorsson an und setzte mit ihrer Miene hinter jeden Satz ein Ausrufezeichen. Bobbie nickte. Die Bewegung fühlte sich an, als sei ihr Kopf eine Schale voll Wasser, die sie bei schwankender Schwerkraft tragen musste. Da es nicht wehtat, hatte man sie wahrscheinlich mit Schmerzmitteln vollgepumpt.
»Sergeant Drapers Hilfe war unverzichtbar«, erklärte Thorsson mit seiner schönen Stimme. Es klang nicht im Mindesten verlegen. »Möglicherweise hat sie uns gerade einen Krieg mit der Erde erspart. Das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, damit andere überleben, entspricht ziemlich genau Robertas Jobbeschreibung.«
»Nennen Sie mich nicht Roberta«, murmelte Bobbie.
»Gunny«, sagte Thorsson. »Was mit Ihrem Team passiert ist, tut mir leid. Aber vor allem tut mir leid, dass ich Ihnen nicht geglaubt habe. Danke, dass Sie so professionell reagiert haben. Dank Ihrer Hilfe konnten wir einen verhängnisvollen Fehler vermeiden.«
»Ich habe Sie einfach nur für ein Arschloch gehalten«, entgegnete Bobbie.
»Das ist mein Job, Soldat.«
Thorsson stand auf. »Ruhen Sie sich aus. Wir verlegen Sie, sobald Sie für die Reise stark genug sind.«
»Wohin denn? Zum Mars?«
Thorsson antwortete nicht, sondern nickte der Ärztin zu und ging hinaus. Die Ärztin drückte neben Bobbies Bett auf einen Knopf, worauf ihr
Weitere Kostenlose Bücher