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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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korrigieren, die bei dieser Entfernung zwangsläufig auftraten. Zum Glück benutzte sie Hochgeschwindigkeitsmunition auf einem Mond, der nicht viel Schwerkraft besaß. Auf dreihundert Meter waren die Abweichungen fast zu vernachlässigen. Obwohl das Wesen sie durch das abgedunkelte Visier nicht sehen konnte, warf sie ihm einen Kuss zu. »Hier bin ich, Süßer. Komm und sag ›Hallo‹ zu Mama.«
    Sie drückte auf den Abzug. Fünfzig Geschosse rasten hinaus und überwanden die Distanz zwischen Kanone und Ziel in weniger als einer Drittelsekunde. Alle fünfzig trafen das Ziel und verloren nur wenig kinetische Energie, als sie das Wesen durchbohrten. Der Aufprall war gerade stark genug, um das vakuumtaugliche Brandgel der Patronen zu zünden. Fünfzig kurzlebige, aber sehr heiße Flammenkanäle durchbohrten das Monster.
    Aus den Austrittswunden traten Fäden aus, die ihrerseits Feuer fingen und sich blitzend auflösten.
    Mit einem Tempo, das bei dieser niedrigen Schwerkraft unmöglich hätte sein müssen, stürmte das Monster auf Bobbie los. Mit jedem Stoß der Gliedmaßen hätte es meterhoch in die Luft fliegen müssen. Doch es klebte auf der Silikatoberfläche von Io, als trüge es Magnetstiefel auf einem Metalldeck. Die Geschwindigkeit war atemberaubend. Die blauen Augen waren hell wie Blitze. Die bizarren langen Hände griffen schon im Rennen nach ihr und spannten sich. Es war genau wie in ihren Albträumen. Einen Sekundenbruchteil lang war Bobbie in Versuchung, einfach stehen zu bleiben und die Szene bis zu dem Abschluss zu beobachten, den sie im Traum nie gesehen hatte. Ein anderer Teil ihres Bewusstseins wollte sie in Schweiß gebadet aufwachen lassen, wie es schon so oft geschehen war.
    In einem Winkel von neunzig Grad zum Kurs des Monsters rannte sie hüpfend los. Ihr Anzug sorgte dafür, dass der Ziellaser auf den Angreifer gerichtet blieb, sodass sie dessen Position bestimmen konnte, ohne sich umzudrehen. Wie erwartet bog es ebenfalls ab, um sie zu verfolgen, doch es verlor an Boden. »Geradeaus sehr schnell, aber in Kurven siehst du alt aus«, kommentierte Bobbie.
    Als das Wesen erkannte, das sie nicht einfach herumstehen und abwarten würde, bis es nahe genug war, hielt es an. Bobbie kam stolpernd ebenfalls zum Stehen und drehte sich um. Es griff nach unten und riss einen großen Brocken aus der alten Lava, dann hielt es sich mit der anderen Hand am Boden fest.
    »Jetzt kommt es«, sagte Bobbie zu sich selbst.
    Sie warf sich zur Seite, als das Monster den Stein schleuderte. Das Wurfgeschoss verfehlte sie um Zentimeter. Sie prallte auf die Oberfläche des Mondes und rutschte weiter, dabei erwiderte sie schon das Feuer. Dieses Mal schoss sie mehrere Sekunden lang und jagte Hunderte von Kugeln durch das Wesen.
    »Alles, was du kannst, das kann ich viel besser«, sang sie halblaut. »Ich kann alles viel besser als du.« Die Kugeln rissen große brennende Brocken aus dem Monster und trennten ihm fast den linken Arm ab. Das Wesen wirbelte herum und brach zusammen. Bobbie sprang auf und machte sich bereit, sofort wieder zu rennen, falls das Monster aufstand. Es blieb liegen, rollte sich auf den Rücken und bebte. Der Kopf schwoll an, unter der schwarzen Chitinhaut bewegte sich etwas.
    »Bumm, du Arsch!«, rief sie und wartete darauf, dass die Bombe explodierte.
    Doch auf einmal sprang das Monster auf, riss sich ein Stück aus dem Bauch und warf damit nach ihr. Als Bobbie erkannte, was da vor sich ging, war die Bombe nur noch ein paar Meter entfernt. Die Explosion warf sie um. Sie rutschte über Ios Oberfläche, und der Anzug plärrte unzählige Warnungen. Als sie endlich liegen blieb, blinkte auf dem Helmdisplay ein ganzer Weihnachtsbaum roter und grüner Lichter. Sie versuchte, die Gliedmaßen zu bewegen, doch sie waren so schwer wie Steine. Der Computer, der im Anzug ihre Körperbewegungen interpretierte und für den Antrieb umsetzte, war ausgefallen. Der Anzug versuchte es mit einem Reboot und bemühte sich zugleich, das Programm zu verlagern und in einem anderen Speicher auszuführen. Auf dem Helmdisplay blinkte eine bernsteinfarbene Meldung: BITTE WARTEN .
    Bobbie konnte den Kopf noch nicht drehen und erschrak heftig, als das Monster sich auf einmal über sie beugte. Sie unterdrückte einen Schrei. Es hätte sowieso nichts geändert, denn Ios Schwefelatmosphäre war viel zu dünn, um Schallwellen zu übertragen. Das Monster hätte sie so oder so nicht hören können. Doch während die neue Bobbie sich damit

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