Calibans Krieg
öffnete das Visier, um mit normaler Stimme zu sprechen.
»Können wir starten?«, fragte sie Avasarala.
Die alte Dame nickte und hob eine Hand, um Bobbie zu verstehen zu geben, dass sie noch abwarten sollte, während sie über ihr Headset mit jemandem sprach. »Die Marsianer haben bereits einen kompletten Zug abgesetzt«, erklärte sie, während sie das Mikrofon wegschob. »Aber sie haben Befehl, nur den Umkreis zu sichern und die Basis abzuriegeln, bis eine höher in der Nahrungskette angesiedelte Instanz entschieden hat, was zu tun ist.«
»Sie werden doch nicht …«, setzte Bobbie an, doch Avasarala unterbrach sie mit einer geringschätzigen Handbewegung.
»Verdammt, nein«, sagte sie. » Ich bin in der Nahrungskette höher angesiedelt und habe bereits beschlossen, dass wir dieses Dreckloch zu Glas zerschmelzen werden, sobald Sie die Oberfläche verlassen haben. Ich lasse sie glauben, dass wir noch darüber diskutieren, damit Sie Zeit haben, die Kinder zu holen.«
Bobbie deutete mit der Faust ein Nicken an. Die Schweren Aufklärer waren darauf trainiert, die Gesten der Gürtler zu benutzen, sobald sie den Kampfanzug trugen. Avasarala sah es mit Verblüffung. »Also hören Sie auf, mit der Hand herumzufuchteln, und holen Sie die verdammten Kinder da raus.«
Bobbie kehrte zum Leiteraufzug zurück und verband sich unterwegs mit dem Schiffsmechaniker. »Amos, Prax, wir treffen uns in fünf Minuten marschbereit in der Luftschleuse. Alex, Landung in zehn Minuten.«
»Alles klar«, erwiderte Alex. »Gute Jagd, Soldat.« Sie fragte sich, ob sie mit der Zeit hätten Freunde werden können. Es war ein angenehmer Gedanke.
Amos erwartete sie schon vor der Luftschleuse. Er trug die leichte Rüstung marsianischer Bauart und war mit seiner übergroßen Flinte bewaffnet. Prax stürmte ein paar Minuten später in den kleinen Raum. Er hatte Mühe, in den geborgten Anzug hineinzukommen, und wirkte wie ein kleiner Junge, der die Schuhe seines Vaters übergestreift hatte. Während Amos ihm beim Anlegen der Rüstung half, rief Alex nach unten: »Wir landen jetzt. Haltet euch fest.«
Bobbie schaltete die Stiefelmagnete auf volle Kraft, um sich auf dem Deck zu verankern, während das Schiff manövrierte. Amos und Prax setzten sich auf Bänke, die man aus der Wand herausfahren konnte, und schnallten sich an.
»Lasst uns noch einmal den Plan durchgehen.« Sie rief die Luftaufnahmen auf, die sie von der Anlage gemacht hatten, verband sich mit der Rosinante und projizierte sie auf einen Wandmonitor. »Diese Luftschleuse ist unser Zugang. Wenn sie verriegelt ist, sprengt Amos die Außentür. Wir müssen schnell hinein. Eure Anzüge schützen euch nicht sehr lange vor der starken Strahlung, die in Ios Umlaufbahn herrscht. Prax, Sie bleiben über Funk mit Naomi in Verbindung. Wenn wir drinnen sind, sehen Sie sich nach einem Netzwerkknoten um und klinken sich ein. Wir haben keinen Lageplan des Stützpunkts. Je schneller Naomi sich in das System hacken kann, desto schneller finden wir die Kinder.«
»Der Ausweichplan gefällt mir besser«, meinte Amos.
»Ausweichplan?«, fragte Prax.
»Der Ausweichplan sieht vor, dass ich mir den ersten Kerl schnappe, den wir sehen, und ihn schlage, bis er uns sagt, wo die Kinder sind.«
Prax nickte. »Gut. Das gefällt mir auch.«
Bobbie ignorierte das Machogehabe. Jeder ging mit der Nervosität vor dem Kampf auf seine Weise um. Bobbie zog es vor, wie besessen Listen anzufertigen. Aber sich aufplustern und Drohungen ausstoßen war auch nicht schlecht. »Sobald wir den richtigen Ort gefunden haben, geht ihr so schnell wie möglich zu den Kindern, während ich den Rückzugsweg offen halte.«
»Klingt gut«, sagte Amos.
»Vergesst eines nicht«, warnte Bobbie. »Io ist einer der schlimmsten Orte im ganzen Sonnensystem. Der Mond ist tektonisch instabil und stark radioaktiv. Es ist leicht zu verstehen, warum sie sich ausgerechnet hier versteckt haben, aber unterschätzt nicht die Gefahren, die allein schon von dem Mond ausgehen.«
»Zwei Minuten«, warnte Alex über den Com.
Bobbie holte tief Luft. »Und das ist noch nicht das Schlimmste. Die Arschlöcher haben zweihundert Protomolekül-Hybriden auf den Mars abgeschossen. Wir können nur hoffen, dass sie den ganzen Vorrat eingesetzt haben, aber ich habe so ein Gefühl, dass dem nicht so ist. Möglicherweise stoßen wir auch drinnen auf einige Monster.«
Sie sagte nicht: Ich habe es in meinen Träumen gesehen. Das hätte die Stimmung dann doch zu
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