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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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körperlichen Signale, die einem verrieten, wie er die Worte aufgenommen hatte. Holden beherrschte sich, hörte zu plappern auf und fasste sich in Geduld. Elise starrte unterdessen abwartend den Bildschirm an. Sie war in den Jahren seit seinem letzten Besuch sichtlich gealtert. Das dunkelbraune, fast schwarze Haar hatte graue Strähnen bekommen, und die Lachfalten um die Augen und den Mund waren tiefer geworden. Nach fünf Sekunden winkte sie geringschätzig in die Richtung des Bildschirms. »Tom wird sich im Leben nicht in ein Shuttle zum Mond setzen. Du kennst ihn doch. Er verabscheut die geringe Schwerkraft. Komm doch einfach runter, und besuche uns hier. Wir geben eine Party. Du kannst auch deine Freunde mitbringen.«
    Holden lächelte sie an. »Mom, ihr müsst hier heraufkommen, weil ich euch jemanden vorstellen möchte. Erinnerst du dich an Naomi? Naomi Nagata, von der ich dir schon einmal erzählt habe? Ich sagte dir ja schon, dass ich mit ihr zusammen bin. Ich glaube, es ist etwas mehr als das. Genauer gesagt, bin ich jetzt sogar ganz sicher. Wir sind auf Luna, weil hier jede Menge politischer Mist geregelt werden muss. Ich möchte wirklich, dass ihr heraufkommt und Naomi kennenlernt.«
    Beinahe wäre es ihm entgangen, als seine Mutter fünf Sekunden später zusammenzuckte. Sie überspielte es mit einem breiten Lächeln. »Mehr als das? Was soll das heißen? Wollt ihr heiraten? Ich dachte immer, du willst irgendwann eigene Kinder haben …« Sie ließ den Satz unvollendet und lächelte unsicher und verkrampft.
    »Mom«, sagte Holden, »Erder und Gürtler können durchaus Kinder bekommen. Wir gehören doch nicht verschiedenen Spezies an.«
    »Sicher«, stimmte sie ein paar Sekunden später zu und nickte allzu eifrig. »Aber wenn ihr da draußen Kinder haben wollt …« Sie hielt inne, das Lächeln verblasste ein wenig.
    »Dann werden es Gürtler«, bestätigte Holden. »Ja, daran müsst ihr euch eben gewöhnen.«
    Fünf Sekunden später nickte sie, ebenfalls viel zu bereitwillig. »Dann sollten wir wohl besser raufkommen und die Frau kennenlernen, für die du die Erde verlassen willst. Sie muss ja wirklich etwas Besonderes sein.«
    »Und ob«, bekräftigte Holden. »Das ist sie.«
    Elise zappelte unbehaglich hin und her, dann war das Lächeln wieder da, und dieses Mal weniger gezwungen. »Ich stecke Tom in das Shuttle, und wenn ich ihn an den Haaren hineinziehen muss.«
    »Ich liebe dich, Mom«, sagte Holden. Seine Eltern hatten ihr ganzes Leben auf der Erde verbracht. Die einzigen Typen von den äußeren Planeten, die sie überhaupt kannten, waren die überzeichneten Schurken in den billigen Unterhaltungsfeeds. Ihre tief verwurzelten Vorurteile konnte er ihnen nicht einmal vorwerfen, zumal er wusste, dass sie die Begegnung mit Naomi davon heilen würde. Ein paar Tage in ihrer Gesellschaft, und sie würden Naomi ins Herz schließen. »Oh, noch etwas. Erinnerst du dich an die Daten, die ich dir vor einer Weile geschickt habe? Halte sie doch bitte weiter für mich fest. Sprich nicht darüber, aber halte sie fest. Je nachdem, wie die Dinge in den nächsten Monaten hier verlaufen, brauche ich sie vielleicht noch.«
    »Meine Eltern sind Rassisten«, gab Holden später am Abend Naomi gegenüber zu. Sie hatte sich an ihn gekuschelt, das Gesicht lag an seinem Ohr, ein langes Bein hatte sie über seine Hüften gelegt.
    »Na gut«, flüsterte sie.
    Die Hotelsuite, die Avasarala ihnen zur Verfügung gestellt hatte, war luxuriös oder eigentlich schon fürstlich. Die Matratze war so weich, dass sie in der niedrigen Mondschwerkraft das Gefühl hatten, auf einer Wolke zu schweben. Die Luftaufbereitung wehte erlesene Düfte herbei, die von Hand für die Zerstäuber des Hotels komponiert wurden. An diesem Abend stand »Gras im Wind« auf dem Programm. Holden fand nicht, dass es nach Gras roch, aber es war trotzdem angenehm. Ein klein wenig duftete es auch nach der Erde. Holden nahm an, dass Parfüms sowieso ziemlich willkürliche Namen trugen. Außerdem vermutete er, dass das Hotel den Sauerstoffpegel etwas erhöht hatte. Er fühlte sich einfach ein wenig zu gut.
    »Sie machen sich Sorgen, unsere Babys könnten Gürtler werden«, fuhr er fort.
    »Keine Babys«, flüsterte Naomi. Bevor Holden fragen konnte, was sie damit meinte, schnarchte sie ihm schon ins Ohr.
    Am nächsten Tag wachte er vor Naomi auf, zog den besten Anzug an, den er besaß, und erkundete die Station. Eine Angelegenheit musste er noch erledigen, ehe er

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