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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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irgendetwas, mit dem man das Fleisch nachahmen konnte. Und selbst wenn, er hatte keine Zeit, das Problem zu lösen.
    In seiner Wohnung war das Licht gedämpft und ließ sich nicht höher stellen. Die Sojapflanze wuchs nicht mehr, welkte aber auch nicht, was eigentlich ein interessanter Forschungsansatz gewesen wäre.
    Irgendwann während des Tages hatte ein automatisches System in den Energiesparmodus umgeschaltet und begrenzte die Stromversorgung. Insgesamt gesehen war das vielleicht sogar ein gutes Zeichen. Oder es war eine scheinbare Linderung kurz vor der Katastrophe. Es änderte nichts an dem, was er zu tun hatte.
    Seine Ausbildung hatte früh begonnen, und er war mit seinen Eltern in die sonnenlosen Weiten des Weltraums geflogen, um den Traum vom selbst erarbeiteten Wohlstand zu verwirklichen. Der Wechsel war ihm nicht bekommen. Er hatte unter Kopfschmerzen und Angstattacken gelitten, immer wieder hatte er eine unendliche Müdigkeit verspürt, obwohl er gerade in den ersten Jahren die Lehrer beeindrucken und sich als intelligenter und vielversprechender Schüler bewähren musste. Sein Vater hatte ihm keine Ruhe gelassen. Das Fenster ist nur eine kurze Zeit geöffnet, ehe es sich unwiderruflich schließt. Er hatte Prax gedrängt, immer noch etwas mehr zu leisten und sich anzustrengen, selbst wenn er müde war, an Übelkeit litt oder Schmerzen hatte. Er hatte gelernt, Listen, Notizen und Entwürfe zu produzieren.
    Wenn er die flüchtigen Gedanken festhielt, konnte er sich ins klare Licht schleppen wie ein Bergsteiger, der sich dem Gipfel näherte. Jetzt, im künstlichen Zwielicht, erstellte er wieder Listen. Die Namen aller Kinder aus Meis Therapiegruppe, die er noch wusste. Es waren zwanzig, er konnte sich jedoch nur an sechzehn erinnern. Seine Gedanken schweiften ab. Er holte das Bild von Strickland und der geheimnisvollen Frau auf das Handterminal und starrte es an. Hoffnung und Zorn wirbelten in ihm umeinander und verblassten. Er fühlte sich wie kurz vor dem Einschlafen, doch der Puls raste. War Tachykardie nicht ein Symptom des Verhungerns?
    Kurz kam er zu sich und war so klar und wach wie seit Tagen nicht mehr. Er näherte sich dem Zusammenbruch. Der Untergang drohte, und er konnte die Nachforschungen nicht mehr lange durchhalten, ohne sich auszuruhen. Ohne Protein zu sich zu nehmen. Er war schon ein halber Zombie.
    Er brauchte Hilfe. Sein Blick wanderte über die Liste mit den Namen der Kinder. Er musste Hilfe finden, aber zuerst wollte er es überprüfen. Ja, er musste es überprüfen. Er musste sich an … an jemanden wenden …
    Dann schloss er die Augen und runzelte die Stirn. Die Antwort kannte er doch schon, das war längst geklärt. Die Wache. Er würde zur Wache gehen und nach den Kindern fragen. Er öffnete die Augen wieder und hielt den Gedanken fest. Dann schrieb er: Stützpunkt der UN. Stützpunkt der Marsregierung. All die Orte, die er vorher Tag für Tag aufgesucht hatte, würde er noch einmal besuchen und neue Fragen stellen. Das wäre leicht. Und dann, wenn er es wusste, musste er noch etwas anderes tun. Er brauchte eine geschlagene Minute, um den Gedanken zu formulieren, ehe er ihn unten auf das Blatt schrieb:
    Hilfe holen.
    »Sie sind alle weg«, sagte Prax. Sein Atem stand gespenstisch weiß in der kalten Luft. »Sie waren alle seine Patienten, und jetzt sind sie weg. Sechzehn von sechzehn. Erkennen Sie nicht, wie unwahrscheinlich das ist? Es ist kein Zufall.«
    Der Wachmann hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Eine lange, zornig rote Erfrierung verlief von der Wange bis zum Hals. Die Wunde war frisch und unbehandelt. Anscheinend hatte er mit dem Gesicht einen nicht isolierten Bereich von Ganymed berührt. Er konnte von Glück reden, dass die Haut noch vorhanden war. Er trug einen dicken Mantel und Handschuhe. Auf dem Schreibtisch hatte sich Reif gebildet.
    »Ich bin Ihnen dankbar für die Informationen, Sir, und ich werde dafür sorgen, dass die Katastrophenhelfer unterrichtet werden …«
    »Nein, Sie verstehen es nicht. Er hat sie mitgenommen. Sie sind krank, und er hat sie mitgenommen.«
    »Vielleicht wollte er sie in Sicherheit bringen«, erklärte der Wachmann. Seine Stimme war wie ein grauer Lappen. Schlaff und müde. Dort lag ein Problem. Prax wusste genau, dass es ein Problem damit gab, doch er wusste nicht mehr warum. Der Wachmann streckte den Arm aus und schob ihn sanft zur Seite, um der Frau hinter ihm zuzunicken. Prax starrte sie an wie ein Betrunkener.
    »Ich will

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