Caligula - Eine Biographie
Lollia Paulina, die sich durch große Schönheit und – wie erwähnt – durch großen Reichtum auszeichnete. Sie war bereits verheiratet mit Publius Memmius Regulus, einem Konsular, der zu dieser Zeit Statthalter von Mösien, Makedonien und Achaia war. Nach Sueton soll er in die Scheidung eingewilligt und Caligula die Heirat seiner Frau selbst angetragen haben. Auch dies ist nicht als Merkwürdigkeit einzustufen. Aristokratische Ehen waren im kaiserzeitlichen Rom Teil familienpolitischer Planung und gingen eher selten mit persönlicher Liebe einher – dafür stand einem römischen Senator ein hinreichendes Angebot an außerehelichen Beziehungen zu freien oder unfreien Frauen zur Verfügung. In diesem Falle war die sich aus der Ehe ergebende Verbindung zum Kaiser für Regulus zweifellos attraktiver als das Festhalten an der Ehefrau. Er war selbst in Rom zur Hochzeit anwesend und behielt sein provinziales Amt bis in die Zeit des Claudius.
Auch diese Ehe dauerte nicht allzu lange. Vermutlich im Sommer des folgenden Jahres beendete Caligula sie, «angeblich», wie Cassius Dio schreibt, weil die Ehefrau unfruchtbar war, tatsächlich, weil er ihrer überdrüssig geworden sei. Tacitus belegt, daß der angebliche Grund der tatsächliche war. Als der Kaiser Claudius im Jahre 48 eine neue Ehe eingehen wollte, empfahl man ihm nämlich eben diese Lollia Paulina mit dem Argument, sie habe keine Kinder geboren und eine Ehe mit ihr bringe daher keine dynastischen Komplikationen in die kaiserliche Familie. Die adlige Dame hatte also auch zehn Jahre später noch das Format zur Kaiserin und war tatsächlich unfruchtbar. Caligulas Heirat und seine spätere Trennung von ihr hatten somit keineswegs irgendwelche Launen zur Ursache – jedoch eine vermutlich unbeabsichtigte, aber unvermeidliche Nebenfolge: Aemilius Lepidus, seit knapp einem Jahr mit der Perspektive einer möglichen Thronfolge lebend, wußte nun, daß diese Chance seines Lebens mit Drusillas Tod und der erneuten Heirat Caligulas definitiv vorbei war. Daß er dies nicht ohne weiteres hinnahm, sollte sich ein Jahr später zeigen.
5. Das Reich
Das römische Reich, in den Jahrhunderten der Republik erobert, bildete die Basis der Herrschaft der römischen Kaiser. Aus den Steuern, die in den Provinzen eingenommen wurden, speiste sich ihr unermeßlicher Reichtum. Das Militär, das dort stationiert war, war – neben den Elitetruppen und paramilitärischen Ordnungskräften in Rom – die Grundlage ihrer politischen Stellung. Die Ressourcen des Reiches stellten jedoch zugleich auch eine potentielle Gefahr für die Kaiser dar. An der Spitze der einzelnen Provinzen standen – bis auf wenige Ausnahmen – senatorische Statthalter. Sie nahmen die überlokalen ordnungspolitischen, administrativen und jurisdiktionellen Aufgaben wahr, und in ihrer Hand lag auch das Oberkommando über die dort stationierten Legionen, deren Kommandeure wiederum römische Senatoren waren. Aufgrund langer Tradition, ihrer gesellschaftlichen Rangposition und ihrer politischen Erfahrung kamen nur Mitglieder des Senatorenstandes für die zentralen Führungsfunktionen im Reich in Frage. Der Kaiser, dessen Herrschaft stets einer latenten Rivalität seitens seiner Standesgenossen ausgesetzt war, mußte sich also auf eben diese Standesgenossen stützen, um seine Herrschaft ausüben zu können. Das Militär im Reich, auf dem seit den Bürgerkriegen der späten Republik seine Sonderstellung basierte, konnte daher in Krisensituationen zur entscheidenden Bedrohung dieser Stellung werden. Neben der Auswahl der «richtigen», das heißt vor allem nicht zu vornehmen Personen für prekäre Posten waren es in erster Linie zwei Strategien, mittels derer ein Kaiser das latente Krisenpotential einhegen und im Gegenzug das Reich zur Stabilisierung seiner Stellung nutzen konnte: die Festigung seiner persönlichen Nahbeziehung zu den Soldaten und die Entfaltung patronaler Tätigkeit gegenüber der Provinzbevölkerung, das heißt vor allem gegenüber den Oberschichten der Städte des Reiches. Beides erforderte den Einsatz von Geldmitteln, im Idealfall aber die Anwesenheit des Kaisers im Reich.
Die letzte Reise eines Kaisers in eine Provinz, ein Aufenthalt des Augustus in Gallien, lag fast ein halbes Jahrhundert zurück.Tiberius hatte während seiner gesamten Regierungszeit Italien nicht verlassen. Caligula, der schon bei seiner Ergänzung des Ritterstandes die provinzialen Oberschichten besonders berücksichtigt hatte, legte
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