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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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Männer durch Gerichtsurteil den Tod – denn nicht wenige von denen, die aus dem Gefängnis entlassen worden waren, wurden aus denselben Gründen bestraft, derentwegen sie bereits unter Tiberius gefangengehalten worden waren –, und ebenso erging es vielen anderen, die als Gladiatoren endeten. Es gab in der Tat nichts anderes mehr als Mord.» (Cass. Dio 59, 13, 2f.)
    Was war geschehen? Wie kam es zu diesen plötzlichen, nach dem Verlauf der ersten beiden Regierungsjahre des Caligula völlig überraschenden Ereignissen? Warum wurden zahlreiche «führende Männer»
(protoi),
ein Ausdruck, mit dem Dio üblicherweise die höchste senatorische Rangstufe der Konsulare beschreibt, und «viele andere» verurteilt? Der Hinweis, daß einige von ihnen wegen ähnlicher Delikte schon unter Tiberius verfolgt und von Caligula wieder freigelassen worden waren, deutet auf Majestätsverbrechen, und zwar – da es keinerlei Anzeichen von Schmähschriften oder Beleidigungen gegen den jungen Kaiser gibt – auf den Ernstfall des Majestätsdeliktes, also auf eine Verschwörung. Die Erwähnung von Gerichtsurteilenzeigt, daß die Bestrafung der Verschwörer in rechtsförmigen Verfahren, also vermutlich vor dem Senatsgericht erfolgte. Aber Dio, unsere einzige Quelle, die eine chronologische Darstellung versucht, verliert kein Wort darüber, ob eine Verschwörung tatsächlich stattgefunden hatte oder ob nur entsprechende Anzeigen vorlagen. Nichts wird über den genauen zeitlichen Ablauf der Ereignisse gesagt. Auch in den anderen Teilen des 59. Buches seiner Römischen Geschichte bleiben Ereignisse gelegentlich unmotiviert, aber hier, am entscheidenden Wendepunkt der Herrschaft des Caligula, hat man den Eindruck, daß er bzw. die Quellen, auf denen seine Darstellung basiert, die Hintergründe bewußt verschweigen.
    Auch die übrigen Quellen helfen nicht weiter. Sueton spricht nur pauschal von verschiedenen Verschwörungen, wobei er nur die letzte, erfolgreiche, zeitlich einordnet. Die Zeitgenossen Seneca und Philo zeigen an Verschwörungen gegen den Kaiser, die dessen späteres Handeln verständlich machen könnten, ebenfalls kein Interesse. Die schlechte Quellenlage hat zur Folge, daß auch in den meisten modernen Biographien des Caligula die ersten Monate des Jahres 39, die Phase also, in der sich ein grundlegender Wandel im Verhältnis von Kaiser und Aristokratie vollzog, im dunkeln gelassen werden.
    Vom späteren Kaiser Domitian ist der Ausspruch überliefert, den Kaisern glaube man eine aufgedeckte Verschwörung nur dann, wenn sie erfolgreich gewesen sei. Kombiniert man alle Einzelheiten, die berichtet werden, so ist der Schluß erlaubt: Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Dio erwähnt im Anschluß zunächst Verstimmungen im Verhältnis zwischen Caligula und dem Volk. Bei den Schauspielen hätte sich die Menge mit lang anhaltenden lauten Sprechchören gegen Denunzianten gewandt und deren Auslieferung verlangt. Auch dies belegt, daß – erstmals unter seiner Herrschaft – gegen eine größere Zahl von hochrangigen Mitgliedern der Aristokratie, die selbst über einen Anhang im Volk verfügten, Anklagen erhoben wurden und Prozesse anhängig waren.
    Nachdem Caligula wenig später eine Rede im Senat gehalten hatte – auf die noch einzugehen sein wird –, sagten ihm die Senatoren Dank dafür, «daß sie nicht gleich den anderen den Tod gefunden hatten», was darauf schließen läßt, daß viele weiteredesselben Deliktes für schuldig gehalten wurden. Sie beschlossen, fortan seiner «Menschenfreundlichkeit» Opfer darzubringen. Menschenfreundlichkeit (griechisch
philanthropia,
lateinisch
clementia)
war der Terminus technicus für den Großmut, den ein Herrscher jemandem entgegenbrachte, der ihn bekämpft hatte. Schließlich beschlossen die Senatoren neben anderen Ehrungen des Kaisers eine Ovatio, also einen bei Siegen üblichen «kleinen» Triumphzug, «als hätte er einige Feinde überwunden.» (Cass. Dio 59, 16, 10)
    Die Indizien deuten somit auf folgenden Ereignisverlauf: In der Zeit nach der Niederlegung seines Konsulates am 30. Januar wurde eine Verschwörung gegen Caligula aufgedeckt, an der größere Kreise der Senatsaristokratie beteiligt waren. Das Besondere an dieser Verschwörung war, daß es sich bei den führenden Köpfen nicht um alte Feinde der Familie des Germanicus oder um ehemalige Anhänger des Gemellus handelte, gegen die Caligula nach seiner Krankheit vorgegangen war. Denn ausdrücklich wird gesagt, einige von ihnen

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