Caligula - Eine Biographie
bereitet. Die Frage war, wann sich die nächste Gelegenheit ergab, bei der sich der Haß entladen konnte. Es sollte nicht lange dauern, und Anlaß boten gerade zwei Maßnahmen, die zur Stabilisierung der kaiserlichen Stellung gedacht waren.
Im Sommer des Jahres 39 heiratete Caligula erneut. Die Wahl der Ehefrau zeigt, daß es wiederum um den Versuch ging, durch Nachkommen die dynastische Situation zu klären. Milonia Caesonia, so ihr Name, soll weder jung noch besonders schön gewesen sein. Sie hatte allerdings ihre Fruchtbarkeit bereits durch die Geburt dreier Kinder unter Beweis gestellt – und sie war hochschwanger. Nach ihrer Niederkunft bezeichnete Caligula sie als Gattin und sich selbst als den Vater des Mädchens, das den Namen Iulia Drusilla bekam. Das ganze Prozedere zeigt, daß der Kaiser diesmal mit der Eheschließung wartete, bis tatsächlich ein Kind geboren war, und daß somit dieses Kind den eigentlichen Zweck der Eheschließung mit der Geliebten darstellte.
Der legitime Nachwuchs, der Caligula zuteil geworden war, hatte nun allerdings einen nicht unerheblichen Nebeneffekt: Agrippina und Livilla, die Schwestern des Kaisers, bzw. deren Nachkommen schienen damit dauerhaft von der Thronfolge ausgeschlossen. Daß gerade Agrippina Ambitionen in diese Richtung hegte, hatte sich schon anderthalb Jahre zuvor gezeigt (und sollte sich in späteren Jahren erneut zeigen). Als aus ihrer Ehe mit Gnaeus Domitius Ahenobarbus, einem sehr vornehmen, aber kränklichen älteren Mann, ein Sohn, der spätere Kaiser Nero, hervorging, hatte sie Caligula gebeten, dem Kind einen Namen zu geben. Die Hoffnung, der Kaiser würde den Namen Gaius wählen und dem Kind damit eine dynastische Sonderstellung zuweisen, wurde jedoch nicht erfüllt. Caligula verwies sie auf den Namen des Onkels, Claudius, der damals als Mitglied der kaiserlichen Familie von niemandem für vollgenommen wurde. Mit der Geburt von Caligulas Tochter tendierten nun die Chancen Agrippinas, jemals Mutter eines Kaisers zu werden, gegen null. Sie befand sich damit in einer ähnlichen Situation wie Aemilius Lepidus, der nach Drusillas Tod ebenfalls eine ursprünglich aussichtsreiche Position verloren hatte.
Auch die Vorbereitungen des Germanienfeldzugs, die angesichts der Situation zwischen Caligula und der Aristokratie in den Monaten nach der Verschwörung offensichtlich – dies zeigen die folgenden Ereignisse – mit Hochdruck vorangetrieben wurden, hatten einen nachhaltigen Nebeneffekt. Römischer Befehlshaber am Oberrhein war bereits seit dem Jahre 29 der Senator Gnaeus Cornelius Lentulus Gaetulicus. Trotz seiner engen Verbindungen zu Sejan hatte er dessen Sturz überdauert, und es gab Gerüchte, daß er in der schwierigen Situation jener Zeit Tiberius gegenüber eine kaum verhüllte Drohung ausgesprochen hatte. Er habe dem Kaiser geschrieben, so berichtet Tacitus, daß er ihm treu bleiben, in der Ernennung eines Nachfolgers jedoch sein sicheres Todesurteil sehen würde. Er habe ihm eine Art Vertrag vorgeschlagen, wonach der Kaiser Herr im übrigen Reich bleibe, er selbst aber seine Provinz behalte. Damit war er damals durchgekommen. Er war sehr beliebt bei seinen Soldaten, was offensichtlich mit einem Rückgang der Disziplin innerhalb der Truppen einherging. Die Germaneneinfälle der letzten Jahre, die Caligula die offizielle Begründung für seinen Feldzug boten, waren wohl auch eine Folge des langen Regimentes des Gaetulicus, jedenfalls mußte er sie sich zurechnen lassen. Die Art, wie Caligula in Rom gegen korrupte Magistrate vorging, und die Aussicht, daß der Kaiser bald persönlich an den Rhein kommen würde, dürften bei Gaetulicus begründete Befürchtungen für sein zukünftiges Schicksal ausgelöst haben.
Damit braute sich etwas zusammen, was alle bisherigen Bedrohungen des kurz vor seinem 27. Geburtstag stehenden Kaisers in den Schatten stellen sollte. Die Ereignisse der folgenden Wochen dokumentieren, daß sich um die Mitte des Jahres eine erneute Verschwörung bildete, die diesmal höchst dramatische Ausmaße annahm.
3. Die große Verschwörung und der Zug in den Norden
Den Kern der Verschwörung bildeten Lepidus, der wichtigste senatorische Vertraute des Kaisers, sowie Gaetulicus, der Kommandeur in Obergermanien. Beteiligt war der engste Familienkreis Caligulas, die beiden Schwestern Agrippina und Livilla, denen auf Initiative des Kaisers in den letzten beiden Jahren höchste Ehrungen zuteil geworden waren. Agrippina war, wie Tacitus
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