Caligula - Eine Biographie
Caligula hatte die doppelbödige Kommunikation, die bislang das wichtigste Mittel gewesen war, die Paradoxie von Monarchie und Republik zu überdecken, kollabieren lassen. Die Wahrheit war ausgesprochen, und das war nicht wieder gut zu machen.
Wie sollte es weitergehen? Der Senatsaristokratie blieb einstweilen nichts übrig, als fortzufahren wie bisher und dadurch die Selbsterniedrigung – als entlarvte Schmeichler, die weiter schmeicheln – zu verdoppeln. Und Caligula? Er ließ es nicht bei einer Rede bewenden, sondern nutzte die neu entstandene Situation dazu, die Aristokratie zu demütigen und sie lächerlich zu machen.
Schon unter Augustus und Tiberius hatte die Fortführung der traditionellen aristokratischen Freundschaftsbeziehungen zur Folge gehabt, daß alle Senatoren und die vornehmsten Ritter unabhängig von der persönlichen Beziehung der Beteiligten offiziell als «Freunde» des Kaisers galten. Sie besuchten ihn morgens in seinem Haus, waren abends bei ihm zu Gast oder luden ihn ihrerseits zu Gastmählern ein und bedachten ihn mit Schenkungen in ihren Testamenten, um seine Gunst zu erhalten. Auch hier also herrschte Doppelbödigkeit. Obwohl Caligula nun die freundschaftliche Fassade niedergerissen hatte, forcierte er fortan die Einhaltung der traditionellen Verhaltensweisen seitens der Aristokratie, deren Mitglieder aufgrund der Gewaltverhältnisse unfähig waren, ihre Feindschaft zum Kaiser zu bekennen. Er habe, wird berichtet, viele Personen Väter, Großväter, Mütter oder Großmütter genannt, das heißt auf seine freundschaftliche Nahbeziehung zu ihnen hingewiesen,und sie auf diese Weise zu «freiwilligen» Geldzahlungen und testamentarischen Schenkungen an ihn gezwungen. Alle noch lebenden Personen, die Tiberius in ihren Testamenten mit Schenkungen bedacht hatten, ließ er – per Senatsbeschluß – auffordern, die Vermächtnisse nun ihm zukommen zu lassen. In ähnlicher Weise forderte er bei der wenig später erfolgten Geburt seiner Tochter mit dem Hinweis auf seine Belastungen als Familienvater Spenden für die Erziehung und Mitgift des Mädchens ein. Wiederum hatten die Aristokraten zu zahlen, wollten sie sich nicht durch das Bekenntnis, keine Freunde des Kaisers zu sein, selbst ruinieren. Philo berichtet, Caligula habe Personen Geldgeschenke zukommen lassen, um sie dadurch zu erheblich höheren Gegengaben zu zwingen. Mitglieder des Senatorenstandes, die in besonderem Ansehen standen, seien «unter Vorspielung seiner Freundschaft» auf andere Weise geschädigt worden. Sie hätten riesige Summen für seine Reisen und für seine Bewirtung aufbringen müssen. Manche hätten ihr gesamtes Vermögen für die Veranstaltung eines einzigen Gastmahls ausgeben oder sich sogar noch verschulden müssen. «Folglich verwünschten es einige schon, wenn sie Zeichen seiner Gunst empfangen hatten.» (Phil.
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Das war Caligulas zweite Antwort auf die Verschwörung seiner konsularen «Freunde». Nachdem er die Doppelbödigkeit der Freundschaft zwischen Kaiser und Aristokratie selbst entlarvt hatte, nutzte er die Tatsache, daß jener gleichwohl keine alternative Verhaltensmöglichkeit zur Verfügung stand, zu einer zynischen Demütigung. Er behandelte seine aristokratischen «Freunde», das heißt die Aristokratie insgesamt, so, als sei ihre Freundschaft ihm gegenüber ehrlich gemeint – was niemand dementieren konnte, sie verhielten sich ja entsprechend – und schädigte sie dabei auch noch in materieller Hinsicht. Zugleich soll er seinen Spaß an der ohnmächtigen Reaktion der Betroffenen deutlich zum Ausdruck gebracht haben.
In ähnlicher Weise zwang er Senatoren zu hohen Geldausgaben für die Veranstaltung von Spielen in Rom. Vermutlich im Anschluß an die Wiedereinführung der Volkswahlen ließ er, wie dies früher üblich gewesen war, jeweils zwei Prätoren für die Durchführung von Gladiatorenkämpfen auslosen. Er ließ sodann kaiserliche Gladiatoren öffentlich versteigern und triebdurch seine persönliche Anwesenheit den Preis in die Höhe, da die Beteiligten glaubten, ihm auf diese Weise eine Gefälligkeit erweisen zu müssen. Sueton berichtet über den Sinn für Situationskomik auf Kosten von Senatoren, den Caligula bei diesen Versteigerungen an den Tag legte: «Es ist bekannt, daß Aponius Saturninus einst bei einer solchen Versteigerung auf seinem Sitz einnickte und Gaius daraufhin den Ausrufer ermahnte, doch nicht einen Prätorier, der ihm durch häufiges Kopfnicken Zeichen gebe, zu
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